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Recht auf Arbeit, aber nicht auf Mindestlohn

Recht auf Arbeit, aber nicht auf Mindestlohn

Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Druckaufträge besonders geeignet | Unternehmen zahlen Marktpreise | Kritik an niedrigem Entgelt

Zwischen den Pusteblumen breiten sich Schlieren aus. »Mach mal bei Schwarz und Rot mehr Wasser«, empfiehlt der Gruppenleiter. Laxsan Rataranjan drückt auf dem Display Magenta und Schwarz und erhöht die Feuchtigkeit. Die Schlieren sind verschwunden, die Pusteblumen auf der ersten Seite makellos. »Mir macht das Spaß mit der Farbe und dem Wasser«, sagt der 25-Jährige, klemmt sich den Fadenzähler vors Auge und prüft den Passer.

Kein Druck, kein Stress

Für einen makellosen Druck sorgen Laxsan Rataranjan (Bild oben, vorn) und Erdogan Elvan.

Erdogan Elvan, 48, guckt zu. Ein weiterer Kollege kontrolliert den Probeabzug, der nächste läuft bedächtig um die Druckmaschine, ein anderer hängt die Druckplatte ein. Zu sechst arbeiten sie in der kleinen Druckerei, ausgestattet mit einer Vierfarben-Druckmaschine und einer Zweifarben-Druckmaschine für Sonderfarben. Die Farbdosen füllen ein ganzes Wandregal. »In einem Normalbetrieb müssten das ein, zwei Drucker allein erledigen«, sagt Werkstattleiter Walter Hentschel. Aber die Druckwerkstatt Rödelheim in Frankfurt am Main ist kein Normalbetrieb, sondern eine Reha-Werkstatt für Menschen, die psychisch krank sind. Als Folge von Kriegstraumata, Drogenkonsum, Unfällen, von Geburt an oder aus anderen Gründen. Nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie Tempo und Pensum in einer Druckerei außerhalb der Werkstatt nicht schaffen.

Laut Sozialgesetzbuch sind voll erwerbsgeminderte Menschen nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten. Oder wie Erdogan Elvan sagt: »Hier ist es locker.« Wer eine Pause braucht, macht Pause. Lässt sich an den Produkten erkennen, dass sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gefertigt wurden? Hentschel wirkt empört. »Das wäre ja noch schöner.« Das Produkt ist so gut wie aus jeder anderen Druckerei. Dafür sorgen auch die Gruppenleiter, fast allesamt Fachleute aus dem Druckgewerbe. »Nur zeitlich können wir nicht mithalten.« Unter den 725 Werkstätten für Menschen mit Behinderung gibt es in 317 Abteilungen, die Aufträge und Dienstleistungen in Druck und Grafik anbieten. Wie die Rödelheimer Werkstatt des Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten mit ihren 65 Beschäftigten. Sie produzieren den Vierseiter mit den Pusteblumen für die Naturfreunde, Briefumschläge für die Deutsche Bundesbank, einen Stadtführer mit einlegbarer Karte für die Stadt Frankfurt, Kalender, Briefpapier, Visitenkarten zum Aufklappen, hochwertige Flyer, Broschüren – am liebsten die raffinierten Produkte mit Spiralbindung, vorgerillt, kaschiert, gefalzt. Mit viel Handarbeit. Druckaufträge eigneten sich hervorragend für Werkstattarbeit. Der Arbeitsprozess könne so zergliedert werden, dass daraus überschaubare und zu bewältigende Arbeitsschritte entstünden. »Gut ist Arbeit, die vielfältig ist, nicht über- und nicht unterfordert«, sagt der Werkstattleiter.

Werkstattleiter Walter Hentschel: »Unsere Produkte sind so gut wie aus jeder anderen Druckerei.«

Service und Qualität stimmen

Nebenan in der Weiterverarbeitung stapeln sich die Schreibblocks eines Frankfurter Gymnasiums. Das zahlt wie jedes andere Unternehmen, das Aufträge an die Werkstatt gibt, marktübliche Preise. Allerdings nur 7 statt 19 Prozent Mehrwertsteuer, weil Werkstätten gemeinnützige Einrichtungen sind. Außerdem dürfen Unternehmen die Hälfte der Arbeitsleistung auf der Rechnung von der Ausgleichsabgabe abziehen. Eine Ausgleichsabgabe müssen Unternehmen ans Integrationsamt zahlen, wenn sie nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zahl an Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen. Das sei jedoch nicht der Grund, warum Werkstätten beauftragt würden. »Unternehmen tun das aus sozialem Engagement und weil bei uns Service, Qualität und Beratung stimmen«, sagt Walter Hentschel.

Mickriger Stundenlohn

 Michael Rottau ist fürs Verheiraten zuständig.

Michael Rottau legt den Schreibblock auf die umgedrehte Umschlagsseite, schiebt ihn akkurat gegen die zwei rechtwinkligen Kanten auf dem Holzbrett und klebt den überstehenden Streifen des Umschlags auf die Rückseite des Blocks. »Das nennt sich Verheiraten.« Er kichert leise. Rottau, 37, hat Praktika gemacht und eine Ausbildung im Büro, mal als Gärtner gearbeitet, mal in einem Postvertrieb. Oft ist es jedoch so: Er wird eingestellt und bald darauf gekündigt. »Man berücksichtigt meine Einschränkungen nicht.« Rottau zählt sie geschwind auf, es sind einige. Hier in der Werkstatt nehme man Rücksicht darauf, dass er sich beim Konzentrieren schwertut. »Hier bin ich zufrieden.« Wie die meisten Werkstattbeschäftigten. Über 4.200 wurden für eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales befragt; 90 Prozent gaben an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein.

Rottau ist einer von zweien in der Weiterverarbeitung, die die Schneidemaschinen bedienen können. Die Leistungsfähigkeit ist unterschiedlich. Für manch einen ist eine Stunde Arbeit am Tag das Maximum. Andere haben in einer externen IHK-Prüfung ihre Ausbildung zum Medientechnologen Druck und zur Mediengestalterin geschafft. Eines haben sie mit allen bundesweit 320.000 Werkstattbeschäftigten gemeinsam: Der Monatslohn liegt im Durchschnitt bei 226 Euro. Macht bei einer 36-Stunden-Woche 1,42 Euro pro Stunde. Der Grundlohn ist für alle gleich; zusätzlich gibt es einen leistungsabhängigen Betrag.

Für Werkstattbeschäftigte ist vieles anders: Statt eines Betriebsrats gibt es einen Werkstattrat; sie gelten nicht als Arbeit- nehmer*innen, sondern nur arbeitnehmerähnlich; sie können nicht abgemahnt oder gekündigt werden, dürfen nicht streiken und – anders als in der Welt draußen – haben sie ein Recht auf Arbeit. Aber kein Recht auf Mindestlohn. Was Verbände, kirchliche Organisationen, Parteien und Betroffene heftig kritisieren. Entwürdigend. Unfair. Demotivierend sei ein solch niedriger Lohn, der die Menschen neben der Erwerbsminderungsrente abhängig macht von Sozialleistungen – wie Grundsicherung oder Wohngeld, Rentenzuschüssen und Arbeitsförderungsgeld.

»Die Abhängigkeit von Sozialleistungen ist keine gute Lebensgrundlage«, schreibt auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen auf Anfrage. Allerdings erwirtschaften Werkstätten keine höheren Erträge. Mindestens 70 Prozent würden, wie in der Werkstattverordnung festgelegt, an die Beschäftigten ausgeschüttet.

Möglicherweise wird sich bald etwas ändern. Denn die vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass das jetzige Entgeltsystem gegen das Recht auf Gleichbehandlung in der UN-Behindertenrechtskonvention, das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz und das Mindestlohngesetz verstößt. Zurzeit werden verschiedene Modelle diskutiert; auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten hat Vorschläge gemacht. Letztlich wird sich die Gesellschaft entscheiden müssen, wie viel es ihr wert ist, dass Menschen mit Behinderung ein selbstständiges Leben führen können.

Rein in den Job

Aufgabe von Werkstätten ist es nicht nur, Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, sondern die Menschen beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Das gelingt allerdings nur zu 0,35 Prozent.

Bei der Stiftung Mensch in Dithmarschen, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, gelingt es besser. Dort werden Unternehmen und Menschen zusammengebracht. Die Bilanz: 70 von ihnen schafften in den vergangenen zwölf Jahren den Sprung aus der Werkstatt in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dafür brauche es Geduld, aufgeschlossene Unternehmen und ein gutes Team, sagt Markus Reichhart, Teamleiter der Jobcoaches in der Stiftung Mensch. Besondere Unterstützung erhält die Stiftung von der Sozialen Allianz, zu der etwa 30 Betriebe aus der Region gehören, die sich sozial engagieren und immer ansprechbar sind.

Los geht es mit Praktika, dann folgt je nach Neigung und Eignung der Einsatz auf einem sogenannten ausgelagerten Arbeitsplatz. In diesen ein bis zwei Jahren arbeitet jemand im Betrieb, ist aber noch bei der Werkstatt beschäftigt und wird vom Jobcoach begleitet. »Das kann einen gehörigen Schub an Selbstständigkeit mit sich bringen. Einer hat den Traktorführerschein gemacht, ein anderer bei der Krankenkasse einen Rollstuhl mit Antrieb durchgesetzt, um unabhängiger zu sein.« Der nächste Schritt kann in die Festanstellung führen. Zum Beispiel bei der Druckerei Eversfrank in Meldorf, einem Gründungsmitglied der Sozialen Allianz. Zwei Beschäftigte aus der Stiftung Mensch arbeiten seit sechs Jahren als Produktionshelfer in der Weiterverarbeitung. Beide machten ihre Arbeit gut, heißt es in der Firma. Einer von ihnen ist Kevin. Er freut sich darüber, dass er jetzt mehr verdient und nette Kollegen um sich hat.

Ein Segen für den Drucker

Ein Segen für den Drucker

Eine Kritik an Transfergesellschaften lautet, die Menschen würden dort nur geparkt statt qualifiziert. Solche Einwände hält Professor Gernot Mühge für falsch. Der Sozialwissenschaftler forscht seit vielen Jahren zu Transferprojekten. Sein Fazit: Es müsste mehr Transfergesellschaften geben. Doch er sieht auch Schwächen.

DRUCK+PAPIER: Auf Vermittlungsquoten sollte man nicht so viel geben, sagen Sie. Warum?

Gernot Mühge: Ob es gelingt, die Beschäftigten wieder in Arbeit zu bringen, ist von vielen Faktoren abhängig: von der Altersstruktur, davon, ob die Qualifikation gerade am Arbeitsmarkt gefragt ist oder wie es wirtschaftlich in der Region aussieht. Um die 27-jährige Informatikerin werden sich die Unternehmen reißen. Anders sieht es bei einem Drucker um die 60 Jahre mit langer Betriebszugehörigkeit aus. Gerade für ihn wäre die Transfergesellschaft ein Segen.

Woran messen Sie das?

Wir haben Teilnehmende nach ihrer Einschätzung zur Qualität der Transferberatung befragt. Über alle Branchen, Betriebsgrößen und Träger hinweg war die Zufriedenheit durchgehend groß. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass 66 bis 80 Prozent der Teilnehmenden die Beratung als hervorragend bewerten. Diese Bewertung erfolgt unabhängig davon, ob sie eine Arbeit gefunden haben oder in Arbeitslosigkeit übergegangen sind.

Wie ist das zu erklären?

Professor Gernot Mühge
Sein Schwerpunkt im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Hochschule Darmstadt sind Arbeitsbeziehungen und Diversität.
Foto: privat

Wenn Menschen lange in einem Betrieb gearbeitet haben und dieser geschlossen wird, erleben viele den Stellenverlust als tiefe Kränkung. In Verbindung damit verstärken sich vielleicht gesundheitliche Probleme, es kriselt zu Hause, vielleicht müssen Schulden abbezahlt werden. Dann ist eine gute, auch lebensweltliche, Beratung wichtig, um aus dem tiefen Loch zu kommen. Transferberater*innen können dabei unterstützen, neben ihrem Kerngeschäft, neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, Praktika und Probearbeit anzubieten. Sie organisieren Qualifizierungen oder können An- und Ungelernte motivieren, zum Beispiel durch Teilqualifizierung und Externenprüfung einen Berufsabschluss nachzuholen.

Wo sind die Schwächen?

Die Rahmenbedingungen für Qualifizierungen sind nicht optimal. Das gilt für die Zulassung von Maßnahmen, für deren Finanzierung, aber auch in Bezug auf die Laufzeit der Transfergesellschaft. Eine große Schwäche der Beschäftigtentransfers aber ist, dass nur einem bis zwei Prozent aller Beschäftigten, die unfreiwillig ihren Job durch Schließung, Insolvenz oder Restrukturierung verlieren, eine Transfergesellschaft angeboten wird. In Schweden haben dagegen nahezu alle Beschäftigten einer Branche Zugangsrecht zu einer hochwertigen Transferberatung. Sie wird dort über einen aus Umlagen der Betriebe gespeisten Transferfonds finanziert, abgesichert in einem Tarifvertrag. In Deutschland dagegen wird bei jeder Schließung neu um einen Transfersozialplan gerungen, der je nach Durchsetzungskraft der Belegschaft, des Betriebsrats und der Gewerkschaft und der finanziellen Ressourcen des Unternehmens üppig oder schmal ausfällt. Oftmals wird mehr Wert auf hohe Abfindung statt auf eine gut ausgestattete Transfergesellschaft gelegt. Hier wären Standards über eine gute Ausstattung von Transfergesellschaften hilfreich, mit denen Gewerkschaften Betriebsräten Orientierung bieten könnten.

»Selbst die Skeptischen waren hinterher zufrieden«

»Selbst die Skeptischen waren hinterher zufrieden«

Häufig Transfergesellschaften in der Druckindustrie | Ziel: ein neuer Job, ein anderer Beruf und wieder Selbstwertgefühl

Müsste man einen typischen Transfer-Beschäftigten beschreiben, würde das Profil auf Marius Bürger (Name geändert) passen. Der Zeitungsdrucker ist Mitte 50, hat 36 Jahre in seinem Beruf gearbeitet, hauptsächlich Schicht. Nun ist er wegen Schließung des Betriebs seinen Job los. So einer hat es schwer auf dem Arbeitsmarkt. »Wer dann noch zehn Jahre bis zur Rente vor sich hat, braucht Unterstützung«, sagt Margrit Herrmann, Geschäftsführerin von Personaltransfer West in Bielefeld. Das Gerede vom Fachkräftemangel nervt sie. Es schwinge immer mit, dass jemand nur wollen müsse, um sofort einen Job zu kriegen. »Aber ein Drucker aus Bielefeld kann eben nicht den fehlenden Schweißer in Bayern ersetzen.«

Margrit Herrmann, im Vorstand des Bundesverbandes der Träger im Beschäftigtentransfer, kennt sich mit den beiden Problembranchen in der Region aus: Druck- und Textilindustrie.

Viele ehemalige Beschäftigte aus der Bielefelder Gegend wurden bei Personaltransfer West gecoacht und in Qualifizierungen gebracht. So wurden einer ehemaligen Einlegerin aus dem Versand Praktika in ihrem ursprünglichen Beruf als Floristin vermittelt, eine Industriekauffrau bekam eine Schulung in Buchhaltung, ein technischer Einkäufer polierte sein Wirtschaftsenglisch auf.

Dabei sind Transfergesellschaften eine Rarität auf dem Arbeitsmarkt. Im September 2023 (so die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit) bezogen knapp 5.800 Menschen Transferkurzarbeitergeld. Nicht viel. Üblich ist es, dass Transfergesellschaften pro Jahr 15.000 bis 20.000 Personen aufnehmen. Das entspricht einem bis zwei Prozent aller Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz durch Stellenabbau oder Betriebsschließungen verlieren. Viel zu wenige, findet Professor Gernot Mühge (siehe Interview).

Arbeitsforscher Jens Stegmaier vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit angeschaut, inwiefern Beschäftigte im Alter zwischen 16 und 65 Jahren Vorteile durch eine Transfergesellschaft hatten. Er fand heraus, dass Transferteilnehmer*innen auch nach fünf Jahren nicht mehr Einkommen hatten als solche Personen, die durch Betriebsschließung ähnlich von Arbeitslosigkeit bedroht waren, aber in kein Transferprojekt einsteigen konnten. Etwas besser fällt der Vergleich bei der Beschäftigung aus. 75 Prozent der Transferteilnehmer*innen waren im fünften Jahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt, fünf Prozentpunkte mehr als die Personen ohne Transfergesellschaft.

Für Dustin Hertel hatte die Transfergesellschaft nicht nur die Funktion, die Kolleg*innen wieder in Arbeit zu vermitteln. »Manche waren über 30 Jahre in der Druckerei. Es gab bei uns viele Ungelernte, die sich neu orientieren mussten.« Die Transfergesellschaft sollte ihnen möglichst viele Perspektiven schaffen und »das Selbstwertgefühl wieder aufrichten.«

Dustin Hertel war Betriebsratsvorsitzender der Funke-Zeitungsdruckerei in Erfurt, die Ende 2021 geschlossen wurde. 280 Beschäftigte hat es getroffen. Nur die rund 100 aus der Druckerei durften in die Transfergesellschaft wechseln. Die Beschäftigten der Weiterverarbeitung, eine eigene Firma, sollten sich in den Logistikunternehmen der Umgebung bewerben. Ohne Risiko für Arbeitslosigkeit auch keine Transfergesellschaft.

Etliche Drucker machten sich selbst auf die Suche nach neuer Arbeit, schulten zum Lokführer oder Mechatroniker um, heuerten in einer kleinen Druckerei an oder in einer Fabrik als Maschinenbediener. Letztlich wechselten nur 16 Kolleg*innen in die Transfergesellschaft; bis auf wenige blieben sie die kompletten zwölf Monate bis Ende 2022.

Hertel, 37, ist heute Transfer-Profi. Weil die Schließung mehr als 15 Monate zuvor angekündigt wurde, blieb ihm Zeit zur Vorbereitung. Er hat sich informiert, ehemalige Betriebsratskollegen anderer Druckereien kontaktiert, die schon Schließungen hinter sich hatten. Zudem beriet er sich mit ver.di, sichtete die Unterlagen der zwölf Unternehmen, die sich für Transfergesellschaften anboten. Vier wurden eingeladen, den Zuschlag bekam eine Transfergesellschaft, die bereits die Belegschaft der Madsack-Zeitungsdruckerei in Leipzig beraten hatte und um die besonderen Schwierigkeiten von älteren Beschäftigten aus der Druckindustrie wusste.

Das habe alles gut gepasst, findet Dustin Hertel. »Selbst die Skeptischen waren hinterher zufrieden.« Nur eins hatte die alte Funke-Belegschaft dann doch geschockt: wie wenig woanders bezahlt wird.

Das alles steht den 106 Kolleg*innen der Springer-Druckerei in Ahrensburg noch bevor. Die Schließung steht fest: Am 31. Juli 2024 wird die letzte Zeitung gedruckt. Die Transfergesellschaft ist beauftragt, fast alle Beschäftigten haben ihre erste Beratung hinter sich, im August kann es losgehen. »Die Stimmung ist nicht schlecht«, sagt Betriebsratsvorsitzender Gunter Knaak. Die Kolleg*innen seien zuversichtlich, was Neues zu finden. Denn kaum war die geplante Schließung öffentlich, meldete sich eine große Firma aus der Flugzeugbranche, die Produktionskräfte sucht. Die Zuversicht könnte auch mit dem Budget bei Axel Springer zusammenhängen. Im Outplacement sind für jeden Beschäftigten 7.900 Euro für das Bildungsbudget in der Transfergesellschaft wie Beratung, Bewerbungstraining und Qualifizierung vorgesehen, außerdem externe Weiterbildung.

Zeitungsdrucker Marius Bürger hat die Zeit in der Transfergesellschaft genutzt, um sich neu zu orientieren. In der Druckindustrie wollte er nicht bleiben. Stattdessen lässt er sich zum Pflegefachmann ausbilden. Jetzt ist er kurz vor der Zwischenprüfung. Für ihn habe sich alles zum Guten gewendet: »Ich habe sehr gute Zukunftsaussichten, bin finanziell recht unabhängig und der Beruf macht super viel Spaß.«