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Rettung trotz Schließung

Transfergesellschaft statt Arbeitslosigkeit | Oft allererstes Bewerbungstraining nach vielen Jahren im gleichen Betrieb

Manchmal wollte er einfach nur wieder in die Graphia zurück. Stattdessen hockte Constantin zu Hause und suchte nach offenen Stellen im Netz. Die Hausaufgabe seiner Trainerin aus der Transfergesellschaft.

Constantin war einer von 212 Beschäftigten, die mit Schließung von MM Graphia in Bielefeld ihre Arbeit verloren. 39 Jahre hatte der Verpackungsmittelmechaniker dort gearbeitet. »Mein erster Betrieb.«

Wer nach der Schließung in die Transfergesellschaft wechseln wollte, musste sich schnell entscheiden: Aufhebungsvertrag unterschreiben und in die Transfergesellschaft eintreten. Finanziell ist das besser, als arbeitslos zu sein. Denn das Transferkurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit (60 Prozent für Kinderlose) stockt das Unternehmen in der Regel auf 80 Prozent des vorherigen Nettoentgelts auf.

Für Constantin war alles neu: Stärken-Schwächen-Analysen, Einzelgespräche, Gruppenberatung, Bewerbungstraining, Jobsuchmaschinen. Seine letzte Bewerbung lag 40 Jahre zurück. Andere Kollegen waren noch per Handschlag eingestellt worden. Ob Madsack in Leipzig, Funke in Erfurt, Axel Springer in Ahrensburg oder MM Graphia in Bielefeld – alle diese Unternehmen haben ihre Druckereien geschlossen. Bei allen wurden Transfergesellschaften vereinbart. Die sind im besten Fall eine Brücke zu einem neuen Arbeitsplatz. Zumindest zögern sie die Arbeitslosigkeit hinaus.

Für Mirej Kojic tat sich mit der Transfergesellschaft viel mehr auf. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Arbeitslos zu sein, gilt immer noch als Makel. Die 53-Jährige arbeitete viele Jahre als Ungelernte im Versand einer Kalenderfabrik, die dichtgemacht hat. »Es werden doch überall Leute gesucht. Du musst dich halt bewerben.« Solche Sprüche hörte sie oft. Geholfen hat ihr die Transfergesellschaft. Mirej Kojic beginnt demnächst eine 16-monatige Umschulung zur Fachkraft für Lagerlogistik – damit ist sie auf dem Weg zu ihrem ersten erlernten Beruf und mehr Geld.

Constantin arbeitet inzwischen im Hausservice eines Krankenhauses für einen geringeren Lohn als früher. Zufrieden ist er dennoch. »Irgendwann war klar: Die Graphia ist nicht mehr und ich muss mich um was Neues kümmern.«

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»Selbst die Skeptischen waren hinterher zufrieden«

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