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Die Erinnerung ist quicklebendig

In diesen Tagen wird es wieder die bekannten Bilder geben: Menschen, die an der Mauer hochklettern. Wie sie jubeln und freudig auf der anderen Seite begrüßt werden. 30 Jahre ist es her, dass die Mauer aufgemacht wurde. Ost und West lagen sich in den Armen. Bei den Feiern zum Jubiläum wird Deutschland wieder kurz beduselt vor Freude sein. 
30 Jahre sind eine lange Zeit. Die Kinder und Kindeskinder kennen die Mauer nur noch aus Geschichtsbüchern. Aber weg ist sie nicht. Die Erinnerung ist quicklebendig: Die Menschen im Osten 
hatten bald begriffen, dass statt »blühender Landschaften«, die Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) 
versprochen hatte, Unkraut auf brachliegenden Industrien wuchs. Die Wende hieß für Ostdeutsche: 
Ihr Vermögen wurde massenhaft verschleudert und vernichtet. In den ersten Jahren der Nachwendezeit verloren acht von zehn Erwerbstätigen im Osten ihren Arbeitsplatz. Manche auf Dauer.

Auf einmal war vieles ungültig und wertlos. Es machte sich ein Kapitalismus breit, den so auch der Westen nicht kannte: Der Kapitalismus agierte ungeniert, eifrig flankiert von der Treuhand. Die Gewinne strichen die Konzerne im Westen ein, die Rechnung bezahlten die Menschen im Osten. Das bleibt 
in den Köpfen (unser Gespräch). 
Auch 30 Jahre danach sind im Osten die Arbeitszeiten länger, die Löhne geringer, die Tarifbindung niedriger. Das ist ungerecht. Das macht wütend. Doch wer seine ostdeutsche Identität finden will, von der heute so oft die Rede ist, sollte sie woanders suchen als bei westdeutschen Ex-CDUlern (Alexander Gauland, AfD), in Ex-Goldman-Sachs-Eliten aus 
dem Westen (Alice Weidel, AfD) oder in rechts
extremen Ex-Oberstudienräten aus dem Westen (Björn Höcke, AfD).