Tagelöhner*innen in Ippen-Druckereien
Arbeitsvertrag gilt nur für einen Tag | Bezahlt nach Mindestlohn | Ohne soziale Absicherung

Seit die Ippen-Gruppe 2012 die tariflose Druckerei in Penzberg eröffnete, verlagerte sie nach und nach Aufträge aus anderen Standorten dorthin. Und die alten Standorte wurden dann geschlossen.
Ein Donnerstag, kurz vor 13 Uhr. Am Pult in der Weiterverarbeitung sucht sie sich aus dem Stapel den richtigen Zettel raus. Ihr Name steht schon drauf, es fehlt nur ihre Unterschrift. So läuft es, seitdem sie hier arbeitet: Für jeden Einsatz erhält sie einen neuen Zettel mit der Aufschrift »befristeter Arbeitsvertrag« – gültig für nur einen Tag. Ist ihre Arbeit beendet, trägt sie handschriftlich die Uhrzeit ein und unterschreibt wieder. Früher holten sich die Aushilfskräfte ihren Lohn in bar am selben Tag im Lohnbüro ab. Heute wird das Geld überwiesen. Lina Sauer, ein erfundener Name, wird die nächsten Stunden in der Weiterverarbeitung der Druckerei in München die Anleger mit Discounter-Beilagen bestücken. Die Maschine sortiert die Prospekte in die Anzeigenblätter ein.
Kein Urlaub, kein Kündigungsschutz
Ihren Einsatzplan erhält Lina Sauer für die folgende Woche im Voraus. In der Regel arbeitet sie höchstens zweimal pro Woche, insgesamt elf Stunden. Sie achtet darauf, die Stundenzahl nicht zu überschreiten, damit ihr Verdienst steuerfrei bleibt.
Die etwa 100 Aushilfskräfte verdienen sich etwas dazu, weil ihre Rente oder der Lohn aus ihrem Hauptjob nicht zum Leben reicht. Sie sind Ippens Tagelöhner*innen: Sie sind nicht fest angestellt, sie haben keinen bezahlten Urlaub, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, keinen Lohn bei Krankheit, keinen Kündigungsschutz und sie erhalten bei einer Entlassung keine Abfindung. Ihr Arbeitsplatz ist das Druckzentrum Dessauerstraße, nur wenige Autominuten vom Münchner Olympiastadion entfernt. Hier produziert die Belegschaft seit mehr als 30 Jahren sechs Tage pro Woche den Münchner Merkur und die Boulevardzeitung tz. Groß ist die Belegschaft nicht mehr: nur noch 45 Vollzeit- und etwa 100 Aushilfskräfte. Zurzeit sucht das Druckhaus wieder »zuverlässige Aushilfskräfte«. Laut Inserat für Mittwochnacht bis Donnerstagfrüh und von Donnerstagnacht auf Freitagfrüh. Ohne zu erwähnen, dass am 30. September Schluss ist. Die Druckerei wird dichtgemacht. Wie die Frankfurter Societäts-Druckerei im vergangenen Jahr.
Beide Druckereien gehörten und gehören zur Ippen-Gruppe, der fünftgrößten Mediengruppe Deutschlands. Die Gruppe besitzt etliche Heimat- und Regionalzeitungen – von der Leine-Deister-Zeitung über die Frankfurter Rundschau bis zum Münchner Merkur – , außerdem Anzeigenblätter, Radiostationen, Internetportale. Zeitungsverleger Dirk Ippen hat einen Teil seines Besitzes seinen Verwandten vermacht. Vermutlich steht er deshalb nicht mehr auf der Liste der 500 reichsten Deutschen (geschätztes Vermögen: 550 Millionen Euro), anders als noch vor zwölf Jahren.
Geringe Zuschläge
Die Ippen-Druckerei lässt die Aushilfskräfte zwei Dokumente unterschreiben. In der sogenannten Rahmenvereinbarung ist die Bezahlung festgelegt: ein Stundenlohn von 12,82 Euro – genau der gesetzliche Mindestlohn – und Nachtzuschläge von 1,80 Euro für Arbeit zwischen 23 und 6 Uhr sowie 2,30 Euro pro Stunde an Sonn- und Feiertagen. Laut dem Dokument sind damit alle Ansprüche abgegolten. Der Betriebsrat erklärt, dass die Zuschläge seit sechs Jahren nicht erhöht wurden.
Wörtlich heißt es: »Mit der Rahmenvereinbarung wird kein Arbeitsverhältnis, auch nicht in Form eines Abrufarbeitsverhältnisses, begründet.« Ist das rechtens? Ist es. Solche Rahmenverträge und – selbst auf einen Tag – befristete Arbeitsverträge sind zulässig. Einzig der Betriebsrat muss über den Einsatz der Aushilfskräfte unterrichtet werden.
Andere Zeitungsdruckereien beschäftigten für solche Arbeiten in der Weiterverarbeitung Minijobber*innen. Sie sind Teilzeitkräfte, allerdings geringfügig beschäftigt. Sie zahlen keine Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung und nur minimal in die Rentenkasse. Aber sie erhalten bezahlten Urlaub und Lohn bei Krankheit. Ein Tarifvertrag gilt auch für sie. Warum die Ippen-Gruppe den Aushilfskräften ein Minimum an sozialer Absicherung verweigert, bleibt offen. Auf eine Anfrage von DRUCK+PAPIER antwortet das Unternehmen nicht.
Alles unter Tarif
Ähnlich läuft es in der Ippen-Druckerei im oberbayerischen Penzberg. Dort stehen rund 150 Männer und Frauen für Arbeitseinsätze bereit. Eine Beschäftigte berichtet, dass der Abteilungsleiter während der Produktion eine Aushilfe nach der anderen fragt: »Nächste Woche wie üblich?« Die Antwort ist meist ein Nicken.
Vermutlich werden demnächst noch mehr Aushilfskräfte angefragt. Aktuell wird eine dritte Maschine in der Weiterverarbeitung aufgestellt. Die Druckerei übernimmt die Zeitungen aus der Dessauerstraße.
Die Arbeitsbedingungen in der Penzberger Druckerei sind Ippen-typisch: eine 40-Stunden-Woche, oft Zehn-Stunden-Schichten und Löhne, die die Geschäftsleitung nach Gusto erhöht. Ein Drucker verdient in Penzberg weniger als nach Tarifvertrag der Druckindustrie. Danach bekäme er in Lohngruppe VI 2,85 Euro mehr pro Stunde. Wer kann, sucht sich woanders Arbeit.