Editorial

Entsetzen reicht nicht – handelt endlich

Vor wenigen Wochen ist der Kasseler Regierungs-
präsident Walter Lübcke (CDU) erschossen worden. Der Tat verdächtigt wird ein Neonazi, der den Behörden seit Langem bekannt ist. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. Aber Hintermänner? Terrornetzwerk? Dafür lägen keine Anhaltspunkte vor. Nach dem Mord an Lübcke geht eine Schockwelle durchs Land.

Nicht lange danach wurde im hessischen Wächtersbach auf einen Eritreer geschossen. Offensichtlich ist er aufgrund seiner Hautfarbe zum Opfer geworden. Der Täter habe in seiner Stammkneipe oft über Asylbewerber geschimpft, erklärt der Wirt gegenüber der Frankfurter Rundschau. Ernst genommen habe das niemand. Der Täter nimmt sich selbst das Leben. Sein Opfer überlebt. Nach dem rassistischen Mordversuch geht eine Schockwelle durchs Land.

Zwei von vielen Fällen. Jede Tat führt zu 
Entsetzen. Jede Tat wird verabscheut. Doch es sind nicht die Taten zurückgezogener, verwirrter Einzeltäter. Sie sind das Produkt einer brandgefährlichen Stimmung im Land. Die einen zündeln, die anderen handeln. Deutschland hat ein faustdickes Problem mit Rassismus und Gewalt. Die richtet sich gegen geflüchtete, eingewanderte, muslimische, jüdische, schwarze, behinderte, linke, homosexuelle, obdachlose Menschen.

Wir brauchen eine Polizei, die ihre rechten Gesinnungsgenossen zur Rechenschaft zieht. Behörden, die beide Augen auf rechte Terrornetzwerke richten. Medien, die nicht von Fremdenfeindlichkeit sprechen, wenn es um Rassismus geht. Wir brauchen Kollegen und Kolleginnen, die im Betrieb nicht schweigen, wenn Angehörige von Minderheiten abgewertet werden, sondern sie schützen (siehe „Warum Gewerkschafter rechts wählen“). Wir brauchen Menschen, die den Mund gegen Hetzer aufmachen.