Editorial

In den vergangenen Wochen sind 3,5 Millionen Menschen in großen und kleinen Städten auf die Straße gegangen. Sie protestieren gegen Pläne der AfD und Gleichgesinnter, Millionen von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland zu vertreiben. Neuerdings positionieren sich auch Unternehmen, Vorstände und Wirtschaftsverbände öffentlich gegen Rechtsextremismus, verurteilen wie der Verpackungshersteller DS Smith Ausgrenzung und Fanatismus und plädieren für den Schutz demokratischer Werte. Gut so.

Doch die Wirtschaft treibt nicht nur die Angst um Demokratie und Menschenwürde auf die Podien und vor die Mikros. Eine Vorständin der Deutschen Bundesbank brachte es bei einer Demonstration auf dem Römerberg in Frankfurt auf den Punkt: Deutschland brauche wieder mehr Wirtschaftswachstum. Deutschland brauche mehr ausländische Arbeitskräfte.

Die Wirtschaft sagt es unverblümt: Demokratiefeindlichkeit beschädigt das Ansehen Deutschlands und dann bleiben die dringend benötigten Arbeitskräfte weg. Das gefährdet den Wohlstand. Rechtsextremismus schadet also dem Wirtschaftsstandort.

Wenn so viele Arbeitskräfte fehlen, warum dürfen Geflüchtete nicht regulär arbeiten? Statt sie zum Nichtstun zu verdonnern. Warum werden sie nicht qualifiziert? Ebenso wie die vielen Schulabgänger*innen ohne Abschluss. Weil es Mühe, Zeit und Geld kostet. Lieber holt sich die Wirtschaft Menschen, die irgendwo anders ausgebildet wurden, deren Abschlüsse hier aber oft nicht anerkannt werden und die dann in unteren Lohngruppen landen. Die sind – getreu kapitalistischer Verwertungslogik – willkommen.

Menschenrechte gelten für alle und überall. Unabhängig davon, ob einer zur Wohlstandsvermehrung der Besitzenden taugt. Und bei Rechtsextremismus geht’s nicht um beschädigtes Ansehen für Deutschland. Rechtsextremismus tötet.

Michaela Böhm