Verlage

Medien Union:
Verschachtelt, verschlossen,
gewerkschaftsfeindlich

Größter Zeitungskonzern verweigert Tarifverträge und lässt Betriebsräte auflaufen

Woanders ist das normales Geschäft: Das Unternehmen informiert den Betriebsrat über seine Pläne. Wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorschreibt. Anders bei der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH).

Dort wird taktiert, verzögert, hingehalten. Zum Beispiel beim sogenannten Druck-Strategie-Projekt des Konzerns. Es geht um mehrere Hundert Arbeitsplätze in Druckereien. Der Betriebsrat vom Pressehaus Stuttgart Druck fragt die Geschäftsleitung: Soll die Druckerei geschlossen werden? Wie viele Arbeitsplätze sind betroffen? Wird es Kündigungen geben? Tut uns leid, heißt die Antwort. Der Betriebsrat solle doch bei der Konzernzentrale nachfragen. Dann fragt der Konzernbetriebsrat der Medien-Holding Süd: Was ist geplant? Was passiert mit den Arbeitsplätzen? Antwort: Fragen Sie die örtliche Geschäftsführung. Also doch wieder beim Pressehaus Stuttgart Druck.

Informationsverweigerer

»Dieses Spiel des Hin und Her wiederholt sich regelmäßig«, sagt Uwe Kreft, ver.di-
Konzernbetreuer der SWMH. Damit führt die SWMH fort, was im Mutterkonzern Medien Union üblich ist: Informationen verweigern, Betriebsräte nicht beteiligen. Dieter Schaub, lange Jahre Chef des 
Familienunternehmens Medien Union in Ludwigshafen, nannte das selbst einmal »Informationszölibat«, eine Art selbst auferlegtes Redeverbot. Sohn Thomas, der die Geschäfte übernommen hat, führt die Informationsverweigerung weiter. Es wundert nicht, dass die Medien Union keine Website hat und keine Pressestelle.

»Die Schaubs lehnen seit Jahren jede Form der Öffentlichkeit für sich ab«, schrieb der Medienfachdienst Kress. Nicht einmal die anderen Anteilseigner der Südwestdeutschen Medienholding, fast nur Kleingesellschafter, bekämen detaillierte Informationen zum Geschäftsgang. »Selbst die dünnen Präsentationen bei den Gesellschafterversammlungen wurden den eigenen Besitzern jahrelang nicht mitgegeben.«

Betriebsräte in Unternehmen der Medien Union berichten von Schikanen. Das geht so: Erst wird eine Tochterfirma ausgelagert, wie immer tariflos. Ein Betriebsrat wird gewählt, der teilt dem Unternehmen die Termine für Schulungen mit. Abgelehnt, heißt es dann. Oder: Wird nicht bezahlt. Informationen zu Kündigungen oder Betriebsänderungen kommen spät oder gar nicht. Erst wenn das Arbeitsgericht ein Machtwort spricht.

Tarifverhinderer

Tarifverträge lehnt die Medien Union entweder ab oder sie wendet Tarifverträge aus einer anderen Branche an, etwa aus dem Groß- und Außenhandel. Die kommen das Unternehmen günstiger. Ein anderes Vorgehen: Teile von Unternehmen werden herausgelöst und zu einem neuen Unternehmen verschmolzen, oft tariflos. Das ist in den Verlagen der Rheinpfalz passiert, bei der Süddeutschen Zeitung und der Stuttgarter Zeitung, wo es plötzlich eine Firma ZGS und eine Firma ZGS Digital gibt.

Das Phantom

Unter den vielen tariflosen Betrieben gebe es aber auch einige tarifgebundene, etwa bei der Schulbuchgruppe Westermann in Braunschweig, berichtet ver.di-Gewerkschaftssekretär Orhan Sat. »Aber seit Jahren verweigert das Unternehmen Verhandlungen. Dadurch werden Gehälter und Arbeitsbedingungen nicht auf den aktuellen Stand gebracht.«

Lange Jahre nahmen Beschäftigte diesen Missstand hin. Erst als ver.di über Monate hinweg Mitglieder geworben hat, ist die Gewerkschaft bei Westermann so stark, dass sie streiken kann. Westermann-Beschäftigte haben wiederholt die Arbeit niedergelegt – zwischendurch wegen der Corona-Pandemie etwas gebremst. »Doch für die kommenden Wochen planen wir neue Aktionen«, sagt Orhan Sat.

Der Chef der Medien Union, Thomas Schaub, wird sich in Braunschweig nicht blicken lassen. Ihn kennt kaum jemand. Selbst in München nicht. Jens Ehrlinger, Betriebsratsvorsitzender der Süddeutschen Zeitung sagt: »Schaub habe ich noch nie gesehen.« Obwohl er als Vorsitzender des Herausgeberrats den stärksten Einfluss auf die auflagenhöchste Tageszeitung in Deutschland ausübt. Aber schon sein Vater galt als »Phantom der Presse«.

Schwer durchschaubare 
Firmenstruktur

Keimzelle des Konzerns war die Tageszeitung Die Rheinpfalz in Ludwigshafen – Lieblingsblatt des Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU). Er unterstützte den Konzern vor allem beim Kauf der Freien Presse in Chemnitz nach dem Ende der DDR.

Die Medien Union ist ein verschachtelter Konzern. In die jüngste Bilanz (2020) sind über 100 Firmen einbezogen. Der 
Konzernjahresüberschuss betrug fast 34 Millionen Euro. Das 
private Vermögen der Haupteignerfamilie Schaub schätzt das Manager Magazin auf 600 Millionen Euro (fünf Gründerfamilien der Rheinpfalz halten noch geringe Anteile an der Medien Union).

Die Medien Union ist vor allem an Verlagen, Druckereien, Hörfunkbetreibern und Dienstleistungsunternehmen beteiligt. Wichtigstes Tochterunternehmen ist die Südwestdeutsche Medien Holding (SWMH) in Stuttgart. Unter deren Dach gibt es mindestens weitere 160 Unternehmen an über 30 Standorten mit über 5.000 Beschäftigten. Zur Medien Union gehört auch der Schulbuchkonzern Westermann in Braunschweig. Über den Süddeutschen Verlag ist die Medien Union zudem an mehreren Fachverlagen beteiligt.

Größter Zeitungskonzern

Mit 1,5 Millionen Exemplaren ist die Medien Union Deutschlands größte Tageszeitungsverlagsgruppe. Direkt wie indirekt 
ist sie unter anderen beteiligt an:

• Rheinpfalz (Ludwigshafen)
• Süddeutsche Zeitung
• Stuttgarter Nachrichten/Stuttgarter Zeitung
• Schwarzwälder Bote (Oberndorf am Neckar)
• Eßlinger Zeitung
• Frankenpost (Hof)
• Freie Presse (Chemnitz)
• Freies Wort (Suhl)
• Südthüringer Zeitung (Bad Salzungen)
• Meininger Tageblatt
• Nordbayerischer Kurier (Bayreuth)
• Neue Presse (Coburg)

Führungsrolle 
durch Finanzstärke

Fragen an Zeitungsforscher Horst Röper

Zeitungsforscher Horst Röper (vormals Formatt-Institut) beobachtet seit Jahren die Konzentrationen auf dem Zeitungsmarkt.
Foto: privat

DRUCK+PAPIER: Die Medien Union hält nicht an allen ihren Firmen 100 Prozent der Unternehmensanteile. Inwieweit kann der Eigentümer Schaub trotzdem Einfluss nehmen?

Horst Röper: Die Medien Union unterscheidet sich von anderen Medienkonzernen vor allem durch ihre schiere Größe. Damit verfügt sie über die finanziellen Mittel, um in ihren zentralen Unternehmen immer die Führungsrolle einzunehmen, etwa in der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) in Stuttgart. Da die anderen Anteilseigner alle nur sehr kleine Anteile halten, ist die Familie Schaub automatisch in der Führungsposition. Im Verlag der Süddeutschen Zeitung ist Thomas Schaub Vorsitzender des Herausgeberrats, der grundlegende Entscheidungen trifft.

Angesichts ihrer engen Verbindungen zum früheren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU): Hat die Medien Union auch politische Ziele?

Sie ist ein konservatives Unternehmen und besitzt im Wesentlichen konservative Zeitungen. Zentrales Selbstverständnis aber ist, Geld zu machen und nicht eine politische Einstellung zu verbreiten.

Will die Medien Union weiter wachsen?

Seit Jahrzehnten pflegt die Medien Union ihren Wachstumskurs. Ich sehe keinen Grund, warum sie das nicht fortsetzen sollte. Zum Beispiel kauft die Medien-Union-Tochter SWMH rund um Stuttgart eine kleine Regionalzeitung nach der anderen. Heute begrenzen Kartellrecht und Bundeskartellamt kaum noch Zukäufe im Zeitungsmarkt.

Weiterlesen

ver.di-Infos zur SWMH
 www.sverdimh.de
Mehr zur SWMH bei der unabhängigen Wochenzeitung  www.kontextwochenzeitung.de