Aus den Betrieben

»Typisch Ippen«

Druckhaus Dessauerstraße in München: Langjährig Beschäftigte entlassen | ver.di-Betriebsgruppe gegründet

Sämtliche Rotationshelfer*innen im Druckhaus Dessauerstraße in München wurden entlassen. Nicht etwa weil ein automatisches Rollenwechselsystem angeschafft wurde. Den Rollenwechsel übernehmen seit Oktober die Druckteams.

Viele Helfer*innen waren mehr als 20, mitunter 30 Jahre im Druckhaus beschäftigt. Heute sind sie Mitte und Ende 50: zu jung für die Rente, möglicherweise zu alt für einen neuen Job. Darunter Schwerbehinderte mit Sonderkündigungsschutz und ein Kollege, der nach seiner Kündigungsfrist nur noch zwei Monate bis zum Beginn der passiven Altersteilzeit gehabt hätte. Auch er soll gehen. Lediglich die zwei Betriebsräte wurden in andere Abteilungen versetzt.

»Das ist typisch Ippen«, sagt einer. Statt sich Lösungen zu überlegen, würden die Leute auf die Straße gesetzt. Eine Idee: Kehrte die Belegschaft zurück zur 35-Stunden-Woche, müsste kein Personal entlassen werden. »Wir haben unsere Gesundheit geopfert und werden nun rausgeschmissen. Nur damit die Firma noch mehr Geld scheffelt«, schimpft ein anderer.

Wütend erinnert sich ein Helfer, wie sie 2014 – das Druckhaus wurde tariflos – unter Druck gesetzt worden waren, Einzelarbeitsverträge zu unterschreiben: unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, macht 12,5 Prozent weniger Lohn, Abschaffung der tariflichen Maschinenbesetzung. »Wir sollten unterschreiben, sonst würden noch mehr Aufträge verlagert, hieß es. Wenn ich zusammenrechne, was ich seitdem an Geld verloren habe, habe ich meine Abfindung doch selbst finanziert.«

Gegen die Kündigung geklagt

2014 unterzeichnete der damalige Betriebsrat eine sogenannte Regelungsvereinbarung, ohne ver.di einzubeziehen. Wohl wissend, dass Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz nichts vereinbaren dürfen, was in Tarifverträgen geregelt ist. Abspeisen ließ er sich mit einer Beschäftigungssicherung von 2,5 Jahren. Die ist längst abgelaufen.

Die gekündigten Helfer klagen auf Wiedereinstellung, der Betriebsrat legte Widerspruch gegen die Kündigungen ein. »Die Arbeit ist ja nicht weggefallen. Gestrichen wurden nur die Arbeitsplätze«, erklärt Betriebsratsvorsitzender Manfred Schütte. Erst neulich seien zwei Drucker neu eingestellt worden, weil die Arbeit nicht anders zu schaffen sei.

Das Druckhaus begründet den Wegfall der zwölf Helfer*innen nach Auskunft von ver.di damit, dass Druckteams flexibler einsetzbar seien. Die Druckteams müssen nun zusätzlich die 1,5 Tonnen schweren Rollen mit Anlauf auf den Schlitten schieben. An normalen Tagen werden bis zu 20 Rollen, an Tagen mit hoher Produktion bis zu 30 Rollen bewegt. »Nach zwei Wochen im Rollenkeller hat mir alles wehgetan«, sagt Thomas Knössl. Die knapp besetzten Teams mit einem Durchschnittsalter von knapp 50 Jahren seien durch viele Kranke zusätzlich ausgedünnt. Zweistellig sei der Krankenstand – selbst für einen Industriebetrieb ist das hoch. Nicht einmal Jacken gegen die Kälte im Rollenkeller würden zur Verfügung gestellt.

Viele sind angeschlagen

Der Schwerbehindertenvertreter Knössl fragte alle 29 Drucker*innen nach körperlichen Beeinträchtigungen. Das Ergebnis: 26 klagen über Gelenkschmerzen, Darmprobleme, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Nervenerkrankungen. Sieben haben einen Grad der Behinderung.

Inzwischen hat sich eine ver.di-Betriebsgruppe gegründet. Kurzfristiges Ziel ist, die Belastungen zu senken und darauf hinzuwirken, dass Betriebsvereinbarungen, etwa bei den Schichtplänen, eingehalten werden. »Langfristig wollen wir einen Haustarifvertrag – und zwar ohne unbezahlte Arbeitszeit«, sagt der Sprecher der Gruppe, Tony Ly.