Tariftreuegesetz
DRUCK+PAPIER: Unternehmen sollen sich an Tarifverträge halten, wenn sie von Bund, Ländern oder Gemeinden Aufträge erhalten wollen. Worum geht es bei diesen Tariftreuegesetzen?
Thorsten Schulten: Bei öffentlichen Ausschreibungen erhält in der Regel das Unternehmen mit dem niedrigsten Angebot den Auftrag. Aber gerade in arbeitsintensiven Bereichen zahlen nicht tarifgebundene Unternehmen oft weniger als tarifgebundene. Sie reichen das günstigste Angebot ein und bekommen den Zuschlag.
Kann mit einem Tariftreuegesetz ein Unternehmen in die Tarifbindung geführt werden?
Leider nein. Um diesen ungleichen Wettbewerb etwas auszugleichen, kann der Gesetzgeber aber mit einem Tariftreuegesetz Mindestbedingungen vorgeben. Dazu gehören immerhin Kernstandards wie Lohn- und Gehaltstabelle, Arbeitszeit und Zuschläge.
Bewähren sich Tariftreuegesetze in der Praxis?
Entscheidend ist: Woher weiß eine Vergabestelle, welcher Tarifvertrag jeweils gilt? Berlin zum Beispiel macht das recht vorbildlich. Da gibt es ein Online-Tariftreueregister für mehrere Hundert Tarifbranchen. Da zeigen Datenblätter die wichtigsten Regelungen eines Tarifvertrages. Nötig wäre aber auch, die Mitarbeiter*innen der Vergabestellen zu schulen.
Gibt es Kontrollen?
Wichtigste Kontrollinstanz ist der Betriebsrat. Wo es keine Betriebsräte gibt, sind die Kontrollbehörden zersplittert. Zuständig sind dann unter anderen Gewerbeaufsicht, Rentenversicherung, Zoll. Letztlich wird es nur Stichproben geben können.
Der Politikwissenschaftler Professor Dr. Thorsten Schulten ist im Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung der Fachmann für Arbeits- und Tarifpolitik.