Allgemein

Ohne Gas läuft die Anlage nicht

Warum der Verzicht auf Erdgas in der Druck- und Verpackungsindustrie so schwierig ist | Wie sich Unternehmen auf eine Notlage einstellen | Weit entfernt von grünem Wasserstoff |

Wäre die Verpackungsindustrie überall 
schon so weit wie in einem Dorf in Frankreich, wäre manches einfacher. In Saillat-
sur-Vienne, einer kleinen Gemeinde in 
der Nähe von Limoges, hat der irische 
Verpackungshersteller Smurfit Kappa 
seine Papierfabrik für ein Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt. Das Heizkraftwerk – zurzeit mit Erdgas betrieben – wird nach und nach auf grünen Wasserstoff umgestellt, der vor Ort mithilfe von Wind- und Solarstrom gewonnen wird. Das Projekt wird von der Euro
päischen Union gefördert.

Es gäbe genügend Gründe, Erdgas durch einen 
klimaneutralen Energieträger zu ersetzen. Infolge des russischen 
Angriffskriegs gegen die Ukraine ist 
Gas zur teuren Mangelware geworden. 
Gleichzeitig verschärft sich die Klimakrise. 
»Die klügsten Unternehmen sind die, 
die jetzt den langfristigen Umstieg auf 
erneuerbare Energien mitdenken«, sagt 
Almut Reichart vom Umweltbundesamt. 
Die Realität sieht anders aus.


Smurfit Kappa, europäischer Marktführer bei Verpackungen aus Wellpappe mit mehr als 5.000 Beschäftigten in Deutschland, ist bei zwölf seiner 30 deutschen Standorte von Gas zu Erdöl zurückgekehrt. »Da gab es noch uralte Tanks, die reaktiviert werden konnten«, sagt Uwe Knorr, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Smurfit Kappa Deutschland. Bei der Papierfabrik in Zülpich bei Köln werde sogar über eine Umstellung auf Steinkohle nachgedacht. »Eigentlich ein Wahnsinn«, findet Knorr. Aber angesichts weiter steigender Gaspreise seien Öl und Kohle mittlerweile billiger. Außerdem hoffe das Unternehmen, damit genügend Gas eingespart zu haben, um bei einem Gasnotstand im Winter nicht den Gashahn zugedreht zu bekommen. Ein Gasnotstand gilt zwar als unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
 Mit mindestens 20 Prozent weniger Erdgas als in den Vorjahren müssen Industrie und private Haushalte auskommen, damit es nicht zu der gefürchteten Gasmangellage kommt. Bis Redaktionsschluss war Deutschland nach den Zahlen der Bundesnetzagentur auf einem guten Weg. Die Verpackungsindustrie aber kann zu diesen Energiesparbemühungen kaum einen Beitrag leisten. »Wir haben nur sehr, sehr geringe Einsparmöglichkeiten«, sagt Knorr. Raumtemperatur in den Verwaltungsgebäuden senken, Hände mit kaltem Wasser waschen, Wasser sparen in den Duschen für die Beschäftigten in der Produktion – das war’s schon. Die Fertigung sei nun mal energieintensiv. »Eine Wellpappenanlage läuft nicht ohne Gas«, macht Knorr deutlich. »Wir müssen viel Wasserdampf erzeugen, um die Kartonage zu verkleben.«

Kaum was einzusparen


Bei Bischof+Klein im westfälischen Lengerich, einem der führenden Produzenten von flexiblen Kunststoffverpackungen und Schutzfolien in Europa, sieht es ähnlich aus. »Klar, die Heizung wird heruntergedreht«, sagt Betriebsratsvorsitzender Uwe Dohe. »Aber damit können wir nur einen Bruchteil von dem einsparen, was wir verbrauchen.« Einige Maschinen seien auf Gas für die Trocknung angewiesen. »Auch die TA-Luft-Anlage, die dafür sorgt, dass unsere Emissionen gering bleiben, benötigt Gas.« Dem Unternehmen, sagt Dohe, blieben damit nur zwei Möglichkeiten, um auf die Gaskrise zu reagieren: Entweder es gelinge, die explodierenden Energiekosten an die Kundschaft weiterzugeben, oder man müsse Teile der Produktion stilllegen. 



Mit Spuckschutz Geld verdient


In der Corona-Pandemie hatte Bischof+
Klein noch gute Geschäfte gemacht. Viele Folien, mit denen Spuckschutzwände in 
Restaurants oder Geschäften überzogen wurden, kamen aus Lengerich. Jetzt ist 
die Auftragslage in der Folge von Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen, von 
Inflation und Energiekrise allerdings so 
stark eingebrochen, dass für rund 250 der 1.500 Beschäftigten am Standort Kurzarbeit ansteht. Und das, obwohl die Kolleg*innen, wie Dohe weiß, auch privat unter den hohen Preisen für Gas und Strom ächzen. »Viele sind sowieso nur knapp ausgekommen mit ihrem Lohn.« Bei der Tarifrunde im Januar erwarte die Belegschaft eine deutliche 
Lohnerhöhung (siehe hier).
 Auch Smurfit Kappa hat nach dem Ver
packungsboom der Corona-Jahre zum Teil erhebliche Auftragsrückgänge hinnehmen müssen. An einzelnen Standorten gibt es Einstellungsstopps, Kurzarbeit ist nicht ausgeschlossen. Die Preise mussten wegen der steigenden Kosten im Laufe des Jahres bereits um 40 Prozent angehoben werden.

Nicht allein die Energiekosten machen dem Unternehmen zu schaffen, auch Rohstoff
beschaffung oder Logistik sind schwieriger und teurer geworden. Dennoch ist Gesamtbetriebsratsvorsitzender Uwe Knorr zuversichtlich. »Ich sehe immer noch Licht am Ende des Tunnels. Wir müssen nur erst mal durch den Winter kommen.« Eine wichtige Zusage der Geschäftsleitung habe man jedenfalls: Es wird niemand entlassen werden.

Wie sieht es bei Druckereien und Ver
lagen aus? Die Sorge vor einer Gasmangel
lage im Winter geht auch hier um. Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) fordert beständig, dass »die Unternehmen der Wertschöpfungskette Print als unverzichtbare Teile der kritischen Infrastruktur« eingestuft werden müssten, damit sie 
auch im Falle von Gasknappheit weiter 
versorgt werden. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel überraschte seine Abonnent*innen jüngst mit der Aufforderung, eine 
Mailadresse zu hinterlassen – um ihnen wenigstens ein E-Paper liefern zu können, falls das Heft nicht mehr gedruckt werden könnte. 
Einzelne Druckereien verzichten auf die Gastrocknung beim Rollenoffset, indem sie auf Coldsetfarben umsteigen, die bei Raumluft trocknen. Bei Clausen & Bosse im schleswig-holsteinischen Leck, Teil von Deutschlands größtem Buchdrucker CPI, hat man das ausprobiert – und sich dann doch dagegen entschieden. »Da leiden die Qualität und das Tempo«, sagt Betriebsratsvorsitzender Gerhard Trimpin. »Außerdem müssen die Walzen häufiger gereinigt werden, weil sich die Farbe darauf absetzt.« Das Unternehmen wählte deshalb einen anderen Weg: die Umstellung auf Flüssiggas. Das ist zwar noch teurer als Erdgas, aber »die bessere Lösung«. Und technisch recht unkompliziert umzusetzen.

Die Mehrkosten, die die Buchdruckerei wegen der Energiekrise, aber auch wegen Beschaffungsengpässen zu stem
men habe, nennt der Betriebsratsvorsitzende gewaltig. Es sei schwierig, die 
Kosten an die Kundschaft durchzureichen. Zumal das Auftragsvolumen auch bei 
Clausen & Bosse zurückgegangen ist und etliche der 450 Beschäftigten auf ihrem Arbeitszeitkonto bereits ins Minus rutschen. 
Dennoch hofft Trimpin auf die Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung, auch wenn die noch nicht im Detail ausgearbeitet ist. »Das ist alles positiv.« Man müsse aber auch selbst seine Hausaufgaben machen. Also: den Verkauf wieder ankurbeln, Aufträge akquirieren. Damit 
das nächste Jahr wieder ein besseres 
wird.


Wie sieht es bei Druckereien und Ver
lagen aus? Die Sorge vor einer Gasmangel
lage im Winter geht auch hier um. Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) fordert beständig, dass »die Unternehmen der Wertschöpfungskette Print als unverzichtbare Teile der kritischen Infrastruktur« eingestuft werden müssten, damit sie 
auch im Falle von Gasknappheit weiter 
versorgt werden. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel überraschte seine Abonnent*innen jüngst mit der Aufforderung, eine 
Mailadresse zu hinterlassen – um ihnen wenigstens ein E-Paper liefern zu können, falls das Heft nicht mehr gedruckt werden könnte. 
Einzelne Druckereien verzichten auf die Gastrocknung beim Rollenoffset, indem sie auf Coldsetfarben umsteigen, die bei Raumluft trocknen. Bei Clausen & Bosse im schleswig-holsteinischen Leck, Teil von Deutschlands größtem Buchdrucker CPI, hat man das ausprobiert – und sich dann doch dagegen entschieden. »Da leiden die Qualität und das Tempo«, sagt Betriebsratsvorsitzender Gerhard Trimpin. »Außerdem müssen die Walzen häufiger gereinigt werden, weil sich die Farbe darauf absetzt.« Das Unternehmen wählte deshalb einen anderen Weg: die Umstellung auf Flüssiggas. Das ist zwar noch teurer als Erdgas, aber »die bessere Lösung«. Und technisch recht unkompliziert umzusetzen.

Die Mehrkosten, die die Buchdruckerei wegen der Energiekrise, aber auch wegen Beschaffungsengpässen zu stem
men habe, nennt der Betriebsratsvorsitzende gewaltig. Es sei schwierig, die 
Kosten an die Kundschaft durchzureichen. Zumal das Auftragsvolumen auch bei 
Clausen & Bosse zurückgegangen ist und etliche der 450 Beschäftigten auf ihrem Arbeitszeitkonto bereits ins Minus rutschen. 
Dennoch hofft Trimpin auf die Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung, auch wenn die noch nicht im Detail ausgearbeitet ist. »Das ist alles positiv.« Man müsse aber auch selbst seine Hausaufgaben machen. Also: den Verkauf wieder ankurbeln, Aufträge akquirieren. Damit 
das nächste Jahr wieder ein besseres 
wird.


Umsteigen auf erneuerbare Energien – das wär’s!
Foto: AdobeStock