Aus den Betrieben

Keine Zeit für die Samstagsschicht

Beschäftigte beim Etikettendruck Barthel erkämpfen Haustarifvertrag

Das Geschäft mit dem Etikettendruck läuft gut. Doch für die Beschäftigten bei Barthel blieb nur wenig übrig. Sie setzten sich zur Wehr und erreichten gemeinsam mit ver.di einen Haustarifvertrag.

Ein Drucker erzählt: Er musste 42 Stunden pro Woche arbeiten, erhielt nur zwölf Euro Stundenlohn und 20 Urlaubstage. Mehr Urlaub gab es erst, wenn er wenig krank war. Damit das Geld zum Lebensunterhalt reichte, musste er Überstunden machen, nachts und am Wochenende arbeiten. Doch Zuschläge für Sonntagsarbeit standen ihm erst zu, wenn ein weiteres komplettes Wochenende gearbeitet wurde. »Damit sollten wir in die schlechter bezahlte Samstagsarbeit gezwungen werden.«

Sein Kollege berichtet, dass er seinen Lohn trotz Vollzeit und Schichtarbeit mit Wohngeld und Kindergeldzuschlag auf
stocken musste. »Ich schämte mich, dass 
ich staatliche Hilfe brauche.«

Ob Löhne, Arbeitszeiten, Schichtzuschläge oder Urlaubstage – es gab erhebliche Unterschiede in der Belegschaft. Das wurde als Willkür empfunden. »Ein Grund mehr für die Missstimmung im Betrieb«, sagt Till Düwel, ver.di-Gewerkschaftssekretär in Essen. 
Mehr Geld, kürzer arbeiten, länger Urlaub – das waren die Forderungen der Aktiven. Erstmals in der Firmengeschichte kam es bei Barthel in Essen zum Streik: Im Juni legten 130 der 200 Beschäftigten die Arbeit für zwei Stunden nieder. Schon kurz darauf lenkte die Geschäftsführung ein. Sie erhöhte die Stundenlöhne. Doch Tarifverhandlungen mit ver.di verweigerte sie weiterhin. Nun hatten die Kolleg*innen in der Produktion ein weiteres Druckmittel entdeckt: »Samstagsschicht? Tut mir leid, da habe ich keine Zeit«, sagte einer nach dem anderen. Was zu Problemen in der Produktion führte.

Kürzer arbeiten, mehr verdienen

Nach langwierigen Verhandlungen wurde ein Haustarifvertrag zwischen Barthel und ver.di unterschrieben. Erstmals gibt es eine Tabelle mit nachvollziehbaren Merkmalen zur Eingruppierung. Der Lohn ist nach 
Beschäftigungszugehörigkeit gestaffelt. Ab dem vierten Jahr erhalten Helfer*innen 14,50 Euro und Facharbeiter*innen in Druck, Labor und Werkstatt 17,50 Euro. Für manch einen sind das vier Euro pro Stunde mehr als bisher. Die Löhne steigen künftig in der gleichen Höhe wie im Tarifvertrag der Druckindustrie in Nordrhein-Westfalen. Der Urlaub wird für alle auf 30 Tage pro Jahr erhöht. Erstmals gibt es Jahressonderzahlungen – je 75 Prozent Weihnachts- und Urlaubsgeld – und Zuschläge, etwa 125 Prozent für Feiertagsarbeit.

Die größte Abweichung vom Tarifvertrag der Druckindustrie ist die längere Arbeitszeit. Barthel-Beschäftigte arbeiten 40 Stunden, zwar zwei weniger als bisher, aber fünf Stunden mehr als im Flächentarifvertrag der Druckindustrie. »Das ist der Kompromiss, den wir notgedrungen eingehen mussten. Wir sehen den Haustarifvertrag als Einstieg, um weitere Verbesserungen zu erreichen«, sagt Holm-Andreas Sieradzki. Er führte für ver.di einen Teil der Verhandlungen. Der Haustarifvertrag hat eine Laufzeit von zwei Jahren.
Mit dem Ergebnis richtig zufrieden, erzählt ein Betriebsratsmitglied, seien die Beschäftigten, der Betriebsrat und die betriebliche Tarifkommission. mib


Die Firma Barthel

Bei Barthel werden Etiketten aller Art für Lebensmittel, Getränke, Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik, Pharma und die Chemie- und Autoindustrie produziert. Zur Barthel Group mit Stammsitz in Essen gehören nach eigenen Angaben acht Unternehmen an sechs Standorten. Die Mutterfirma der Gruppe machte 2020 einen Gewinn von 1,1 Millionen Euro.