Mit Sicherheit im Recht

Ob der Chef von gestern ist

… oder auf der Höhe der Zeit, lässt sich am Umgang mit Schwangeren und jungen Eltern erkennen. Mehr noch: Bringt der Herbst Corona-Tests? Und ist bald ein neuer Arbeitsvertrag fällig? Das sind die Fragen aus unserer Serie zum Arbeitsrecht. Diesmal hat uns der Rechtsanwalt Daniel Schäfer aus Darmstadt beraten.

Momentan wird wieder über Corona-Tests gestritten. Unser Chef will sie im Herbst womöglich anordnen. Darf er das?

Prinzipiell ja, im Rahmen der unternehmerischen Fürsorgepflicht. Eine Testpflicht muss aber verhältnismäßig sein und die Interessen beider Seiten abwägen. So entschied es zuletzt das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurteil (5 AZR 28/22). Ungeachtet bestimmter staatlich verordneter Maßnahmen müssen Unternehmer*innen grundsätzlich aktiv werden, wenn es akute Gefährdungen für die Beschäftigten gibt. In Betrieben sind etwa Schutz- und Hygienekonzepte auszuarbeiten. Wie generell beim Arbeits- und Gesundheitsschutz haben Betriebsräte nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz dabei Mitbestimmungsrechte. In den Konzepten können auch Tests vorgeschrieben sein. Sie werden als minimaler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gewertet. Gegen Beschäftigte, die sich den Tests kategorisch verweigern, kann das Unternehmen vorgehen, etwa sie unbezahlt freistellen.

Meine Frau und ich möchten zur besseren Betreuung unserer kleinen Kinder eine Weile in Teilzeit arbeiten. Habe ich darauf einen Anspruch? Und wie kann ich verhindern, womöglich nicht mehr aus der Teilzeitfalle herauszukommen?

Es gibt einen rechtlichen Anspruch auf Teilzeit. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz nennt dafür Bedingungen: Wer bereits sechs Monate im Betrieb arbeitet, kann Teilzeit drei Monate vorher schriftlich beantragen, wenn die Firma mindestens 15 Beschäftigte hat. Der Antrag kann aus »betrieblichen Gründen« abgelehnt werden, wenn Arbeitsabläufe oder die Sicherheit im Betrieb beeinträchtigt oder hohe Kosten verursacht würden. Ablehnungsgründe könnten auch ein besonders hohes Arbeitsaufkommen sein. Gegen eine Ablehnung kann man sich wehren und notfalls klagen. Es ist ratsam, sich genau über die Bedingungen einer Arbeitszeitreduzierung zu verständigen. Ein Rechtsanspruch, wieder in Vollzeit zurückzukehren, besteht tatsächlich nicht. Eine Ausnahme bildet seit 2019 die Brückenteilzeit. Um flexibel auf bestimmte Lebenssituationen zu reagieren, kann sie in Firmen mit mehr als 45 Beschäftigten von vornherein für begrenzte Zeit zwischen einem und fünf Jahren vereinbart werden.

Mich ärgert, dass in manchen Betrieben Betriebsratswahlen vom Chef behindert werden und nichts passiert! Das muss doch bestraft werden!

Stimmt leider. Auch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2021 hat nicht zu Besserungen geführt. Engagierte Gewerkschafter*innen und Beschäftigte rechtlich besser abzusichern, ist eine politische Aufgabe. Unterdrückung von Mitbestimmung und Demokratie in Unternehmen könne sich Deutschland nicht leisten, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er will, dass die Behinderung von Betriebsratsarbeit und -wahlen künftig von Amts wegen verfolgt wird. Betroffene müssen dann keinen Strafantrag mehr stellen, sondern Staatsanwaltschaften werden selbst tätig. Im Amtsdeutsch heißt das, Verstöße werden von einem Anzeigendelikt zu einem Offizialdelikt. So würde das hohe öffentliche Interesse an Strafverfolgung deutlicher – sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

Meine Kollegin ist schwanger. Mutterschutz sieht unser Chef aber als Zumutung für den Betrieb und lässt sie das spüren. Was kann man dagegen tun?

Unterstützen Sie die Kollegin, ihre Rechte voll zu nutzen! Aktivieren Sie Ihren Betriebsrat! Das Mutterschutzgesetz, das seit 2018 gilt, schützt die Gesundheit von Frauen und ihren Kindern während der Schwangerschaft, nach der Geburt und in der Stillzeit umfassender als früher. Benachteiligungen soll es ausdrücklich verhindern. Es verpflichtet Unternehmen, Gefährdungen am Arbeitsplatz auszuschließen. So sind Mehrarbeit, Nachtschichten, Sonn- und Feiertagsarbeit für Schwangere und Stillende verboten, Vorsorgeuntersuchungen in der Arbeitszeit erlaubt, auch zusätzliche Pausen. All das und mehr ist gesetzlich vorgeschrieben, wobei Frauen auf einiges auch verzichten können. Ob Mutterschutz diskriminierungsfrei verläuft, ist eine Frage der betrieblichen Umsetzung. Dass es da noch an Bewusstsein und Betriebskultur hapert, fand kürzlich eine DGB-Studie heraus. Auch konkrete Defizite: Gefährdungsbeurteilungen werden oft ignoriert, Ruheräume nicht bereitgestellt, längeres Arbeiten dagegen erwartet.

Seit Kurzem sollen neue Standards für Arbeitsverträge gelten. Brauche ich einen neuen Vertrag?

Nein. Bestehende Verträge müssen nicht geändert werden. Doch für alle seit 1. August neu geschlossenen Arbeitsverträge gelten Änderungen. Von nun an müssen »transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen« in den Verträgen aufgeführt sein. So verlangt es eine EU-Richtlinie von 2019. Sie wird in Deutschland sehr spät umgesetzt; erst im Juni hat der Bundestag das Gesetz beschlossen. Außer dem Arbeitsort, der Tätigkeit, der Arbeitszeit, Urlaubsregelungen und Kündigungsfrist müssen künftig weitere Angaben zwingend im Arbeitsvertrag stehen. Das betrifft etwa die Dauer der Probezeit, genauere Angaben zu Entgeltbestandteilen, Regelungen zu Überstunden, Pausen und Kündigungsverfahren. Das gilt auch für Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte. Ziel ist, dass die Menschen ihre Verträge besser verstehen. Vor allem dort, wo mit Arbeitsverträgen bisher lax umgegangen wurde, macht das den Personalverantwortlichen nun echt Arbeit. Unterbleibt die Umstellung, drohen heftige Bußgelder.

Wegen der Pandemie und Homeoffice haben wir als Betriebsrat auch Videokonferenzen organisiert und Beschäftigte per Mail informiert. Sind wir da rechtlich abgesichert?

Durchaus. Die Rechtslage ermöglicht es Interessenvertretungen, Beschäftigte auf digitalem Weg zu informieren, etwa über das betriebliche Intranet oder auf Videokonferenzen. Dienstliche E-Mail-Adressen dürfen zur Kontaktaufnahme auch an die Gewerkschaft herausgegeben werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Ein digitales Zugangsrecht künftig per Gesetz zu regeln, würde die Sache erleichtern. Allerdings sollten Betriebsversammlungen in Präsenz gegenüber virtuellen vorgezogen werden.