Verhandeln Sie, Herr Eberl!
Haustarifvertrag bei Eberl & Koesel: Verhandlungen festgefahren | Verband Druck und Medien Bayern nimmt Einfluss
Stefan Milisterfer, ver.di-Gewerkschaftssekretär
Eine gut organisierte Belegschaft, mehrere Streiks und viel Durchhaltevermögen – das war nötig, um den Haustarifvertrag in der Allgäuer Druckerei Eberl & Koesel auf den Weg zu bringen. Doch jetzt stocken die Tarifverhandlungen. Betriebsratsvorsitzender Daniele Lupo und Gewerkschaftssekretär Stefan Milisterfer erklären warum.
DRUCK+PAPIER: 30 Urlaubstage für alle und einheitlich 37,5 Wochenstunden – auf diese ver.di-Forderungen konntet ihr euch mit dem Unternehmen einigen. Warum geht es nicht voran?
Stefan Milisterfer: Die Geschäftsleitung verweigert sich noch unseren Forderungen nach Freischichten für Schichtarbeitende und den vollen Schichtzuschlägen analog zum Manteltarifvertrag der Druckindustrie. Stattdessen überreichte sie uns einen Entwurf – sie nennt ihn Tarifvertrag – , wonach es zwischen 5:30 und 20 Uhr keine Zuschläge geben soll. Wer Zweischicht arbeitet, bekäme also nie Zuschläge. Das lehnten die ver.di-Mitglieder ab.
Daniele Lupo: Dabei zahlt die Geschäftsleitung die tariflichen Zuschläge längst.
Das musst du erklären.
Lupo: Seit Monaten sind die Auftragsbücher voll. Aber die Firma hatte Probleme, die Schichten zu besetzen, besonders am Wochenende. Was mich nicht wundert. Ein Grund ist die ungleiche Behandlung: Zwischen Ex-Kösel und Ex-Eberl gab es enorme Unterschiede. Die einen arbeiteten 37,5 Wochenstunden, die anderen 38, 40 und mehr. Auch durch unseren Streikdruck wurde die wöchentliche Arbeitszeit auf 37,5 Stunden vereinheitlicht. Dann war noch das Problem mit den Zuschlägen: Viele Alt-Kösel-Beschäftigten bekamen sehr viel niedrigere Zuschläge als die von Ex-Eberl und weigerten sich, für weniger Geld zu arbeiten. Auf den Vorschlag des Betriebsrats, allen die gleichen tariflichen Zuschläge zu zahlen, ist das Unternehmen eingegangen. Seitdem gibt es bei der Besetzung der Schichten auch keine Probleme mehr.
Daniele Lupo, Betriebsratsvorsitzender bei Eberl & Koesel
Aber warum weigert sich die Druckerei dann, die tatsächlich gezahlten Zuschläge in den Haustarifvertrag zu übernehmen?
Milisterfer: Weil sich der Verband Druck und Medien Bayern einmischt. Seit Langem fordert der Verband, die Zuschläge im Manteltarifvertrag bundesweit abzusenken. Damit scheitert er aber am Widerstand von ver.di. Jetzt versucht der Verband, auf dem Rücken eines Betriebes ohne Tarifbindung seine tarifpolitischen Ziele durchzusetzen.
Wie agiert die Geschäftsleitung?
Milisterfer: Sie macht Stimmung gegen ver.di. Die Belegschaft würde von der Gewerkschaft zu Unfrieden angestiftet, wird behauptet. Man könne sich doch viel besser im Betrieb einigen. Am liebsten wäre es Eberl & Koesel, Arbeitszeit, Zuschläge, Urlaubstage und Eingruppierung zusätzlich einzelvertraglich zu regeln. Am besten mit befristeten Verträgen, wie das zurzeit für einige der Fall ist.
Lupo: Uns allen wurden am 11. November persönliche Briefe geschickt. Darin verspricht Ulrich Eberl, die ungleichen Arbeitsbedingungen schrittweise zu vereinheitlichen und mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Damit will er die Streikbereitschaft brechen. Manche Kollegen haben den Brief nach dem Lesen gleich weggeschmissen. Sie wollen einen Tarifvertrag und keine leeren Versprechungen.
Milisterfer: Den jüngsten Verhandlungstermin am 12. November hat die Geschäftsleitung gecancelt.
Wird ver.di zum Streik aufrufen?
Milisterfer: Wir wollen keine weiteren Streiks. Aber wir verstehen Herrn Eberl auch nicht. Er beklagt sich, dass ihn ein einziger Streiktag 35.000 Euro kostet. Warum verhandelt er dann nicht? Lieber drei Stunden verhandeln als drei Tage Streiks riskieren.
Stets die gleiche Taktik
Eberl & Koesel greift zur immer gleichen Taktik, um Verhandlungen hinauszuzögern. Der Aufforderung von ver.di im April 2021, über einen Haustarifvertrag zu verhandeln, verweigerte sich die Geschäftsführung und vertröstete die Gewerkschaft immer wieder aufs Neue. Als viele Beschäftigte dem ver.di-Streikaufruf folgten, zog Eberl & Koesel vors Arbeitsgericht, mit dem Ziel, die Streiks gerichtlich verbieten zu lassen. Und scheiterte. Die in der jüngsten Gerichtsverhandlung vereinbarten drei Verhandlungstermine fanden statt, den letzten gemeinsam vereinbarten Termin sagte die Geschäftsleitung ab: Die Verhandlungen müssten für mehrere Wochen unterbrochen werden, hieß es. Wieder wird versucht, auf Zeit zu spielen.
DRUCK+PAPIER hat mehrfach berichtet
Ausgabe 3/2021: Ein erster Erfolg
Ausgabe 2/2021: »Ruft uns zum Streik auf!«
Ausgabe 3/2019: Der Herr Eberl und das Gericht