Mit Streiks ins Ziel
Tarifabschluss nach sechs Verhandlungsrunden | Mit Maske und Abstand gestreikt | Provokationen des Unternehmerverbandes laufen ins Leere
Schlafmangel tut nicht gut: Die Marathonsitzungen der Ministerpräsident*innen zur Corona-Lage bis spät in die Nacht waren zuletzt wenig erfolgreich. Anders die Tarifverhandlungen in der Papierverarbeitung. Nach fast 20-stündigen Verhandlungen einigten sich ver.di und der Unternehmerverband am Sonntagmorgen gegen 5 Uhr in Berlin auf einen Abschluss: Zum 1. Mai 2021 steigen die Löhne und Gehälter um 1,5 Prozent, zum 1. Mai 2022 um weitere 2,4 Prozent. Der Tarifvertrag gilt zwei Jahre und endet am 31. Januar 2023.
Dreiste Falschbehauptungen
Die Tarifrunde begann holprig. Über drei Runden bewegte sich der Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) wenig. Viele Nullmonate, wenig Lohnerhöhung – mehr bot er nicht. Dann verweigerte er sich komplett: Er ließ zwei Termine platzen, die Verhandlungskommission war gar nicht erst im Verhandlungsraum erschienen. Man werde nicht verhandeln, solange ver.di während der Verhandlungszeiten streikt, hieß es beim HPV.
»Eine solche Einschränkung des Streikrechts lassen wir uns nicht bieten«, stellte Werner Kulack, Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission und Betriebsratsvorsitzender bei DS Smith in Minden, klar. »Die Haltung des HPV brachte die Belegschaften so auf, dass manch einer die Arbeit vor allem deshalb niederlegte, um das Streikrecht zu verteidigen.«
Der Ton des HPV wurde schärfer, die Vorwürfe heftiger, die Falschbehauptungen dreister – manch ein Infoblatt des Unternehmerverbandes mochten nicht einmal die Werksleitungen im Betrieb aushängen. Zu groß waren die Bedenken, mit solchen Provokationen die Streiks anzuheizen. Zuletzt versuchte HPV-Verhandlungsführer Jürgen Peschel mit einem offenen Brief, die Betriebsräte von seiner Sicht zu überzeugen. »Viele unserer Betriebsratsgremien haben sich dagegen verwahrt, dass er damit versuchte, einen Keil zwischen Belegschaften und Gewerkschaft zu treiben«, sagt Uwe Knorr, Mitglied der ver.di-Verhandlungskommission und Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Smurfit Kappa.
Der Verband hatte darauf gesetzt, dass ihm die Corona-Pandemie in die Hände spielt. Ein Irrtum. Mit Maske und Abstand hatten 7.000 Beschäftigte aus 68 Betrieben gestreikt und Druck gemacht. »Der Abschluss kann sich sehen lassen«, sagt Frank Schreckenberg von ver.di. Ein besonderer Erfolg: Statt Einmalzahlungen geht jeder Prozentpunkt in die Tabelle.