Druckindustrie

Wie weiter mit dem Mantel

Verhandlungen in der Druckindustrie stocken | Unterschiedliche Vorstellungen von einem modernen Tarifvertrag | Kein Treffen wegen Corona

Rachel Marquardt ist schon länger im Tarifgeschäft der Druckindustrie und Papierverarbeitung. Künftig leitet sie als Verhandlungsführerin die Tarifverhandlungen mit dem Bundesverband Druck und Medien (bvdm). Verhandelt wird schon länger. Warum es nicht vorangeht, erklärt sie DRUCK+PAPIER.

DRUCK+PAPIER: Müssen nach einem Jahr Corona-Pandemie die Forderungen von ver.di korrigiert werden?

Rachel Marquardt: Im Gegenteil. Gerade die Auswirkungen der Pandemie zeigen, wie zeitgemäß unsere Forderungen sind. Ein Beispiel: Wir haben in der Druckindustrie ältere Belegschaften, deren Arbeit – nicht nur im Zeitungsdruck – anstrengend ist. Deshalb fordern wir für die Beschäftigten unter anderem das Recht, die Arbeitszeit verkürzen und aus der Schichtarbeit aussteigen zu können. Der Lohnverlust soll je zur Hälfte ausgeglichen werden. Außerdem wollen wir einen Tarifvertrag zur Altersteilzeit mit Rechtsanspruch und eine Aufstockung des Altersteilzeitentgelts auf 85 Prozent.

Die Juristin Rachel Marquardt, 41, leitet den Bereich Tarifpolitik, Industrie, Verlage, Druck und Papier in ver.di und die Bundesfachgruppen Verlage, Druck und Papier sowie Industrie. 

Ihr verhandelt mit dem Unternehmerverband der Druckindustrie seit zwei Jahren ohne Ergebnis.

Wegen der Corona-Pandemie haben wir die Verhandlungen seit September 2020 immer wieder verschoben. Wir sind uns einig, dass der Tarifvertrag zu wichtig ist, um ihn per Videokonferenz abzuhandeln. Wir brauchen dazu Präsenztreffen.

Sind die Druckunternehmer überhaupt interessiert daran, den Manteltarifvertrag über den 30. April 2022 weiterzuführen?

Ja, das sind sie. Allerdings klaffen unsere Vorstellungen von einem modernen Tarifvertrag weit auseinander. Modern heißt für den bvdm beispielsweise: längere Arbeitszeiten, weniger Zuschläge, keine Maschinenbesetzungsregeln. Unsere Forderung nach einer Allgemeinverbindlichkeit ausgewählter Tarifregelungen, um den Unterbietungswettbewerb in der Branche etwas zu bremsen, lehnen sie ab.

Das nächste Treffen soll am 18. und 19. Mai sein. Was ist geplant?

Wir haben zwei Tage angesetzt, um Bewegung in die stockenden Verhandlungen zu bringen.

Was muss passieren, damit ab 1. Mai 2022 der Manteltarifvertrag für die Druckindustrie wieder gilt?

Wie immer in der Branche werden sich die Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben einschalten, wenn wir am Verhandlungstisch nicht weiterkommen. Gerade in diesen Zeiten sind sie nicht bereit, verschlechterte Bedingungen zu akzeptieren.

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Zum Hintergrund

Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) hatte den Manteltarifvertrag für die rund 140.000 Beschäftigten in der Druckindustrie zum 30. September 2018 gekündigt. Sein Ziel war es, die Arbeitsbedingungen massiv zu verschlechtern. Nach einer harten, streikintensiven Zeit, in der vor allem in Bayern viele Belegschaften die Arbeit niedergelegt hatten, ist der Manteltarifvertrag am 3. Mai 2019 wieder in Kraft gesetzt worden. Ohne Verschlechterungen und Abstriche.

Das Zugeständnis von ver.di
Die Gewerkschaft hatte sich verpflichtet, mit dem Unternehmerverband während der Laufzeit und in der Friedenspflicht zu verhandeln – ohne streiken zu dürfen. Der Manteltarifvertrag wurde auf zwei Jahre befristet und wäre nur bis 30. April 2021 gültig gewesen. Dann kam die Corona-Pandemie und ver.di und der bvdm einigten sich am 18. Mai 2020 darauf, den Manteltarifvertrag um ein Jahr und das Lohnabkommen um fünf Monate zu verlängern. Der Manteltarifvertrag gilt demnach bis zum 30. April 2022.