Druckindustrie

Statt schließen und entlassen

Druckindustrie: Verantwortung von Staat und Wirtschaft für fairen Wandel | Weiterbildungsverbünde und Transformationsnetzwerke

Seit Jahren geht das so: Eine Druckerei nach der anderen wird dichtgemacht. Der Tiefdruck ist in Deutschland fast verschwunden. Der Zeitungsdruck schrumpft: Innerhalb von fünf Jahren wurden knapp 20 Zeitungsdruckereien geschlossen oder deren Schließung verabschiedet. Die Gründe: sinkende Auflagen und Zeitungsumfänge, steigende Papier- und Energiepreise, Verlust des Anzeigengeschäfts, weniger Abonnements. Fast 2.300 Beschäftigte verloren ihre Arbeit in diesem Zeitraum allein im Zeitungsdruck. Sie wechselten in die Arbeitslosigkeit, in die Rente, in andere Branchen. Geht das besser? Fragen an Christian Hoßbach von der Hans-Böckler-Stiftung.

Christian Hoßbach: Gewerkschaften waren nie Maschinenstürmer, die den technischen Fortschritt aufhalten, weil er Arbeitsplätze vernichtet. Aber es geht um einen fairen Wandel. Es reicht nicht, einen Sozialplan zu verabschieden. Nötig ist eine aktive Gestaltung der Veränderungsprozesse. Das erfordert auch Investitionen der Unternehmen. Ein Betrieb, der geschlossen wird, gehört ja zu einem Unternehmen, das als Arbeitgeber Verantwortung für die Beschäftigten hat. Hier können eine Strategie und langfristige Planung erwartet werden. Wenn doch jeder schon lange weiß, dass fundamentale Veränderungen anstehen, sollte gemeinsam mit Gewerkschaft und Betriebsrat über Investitionen gesprochen und gezielt Qualifizierungen angegangen werden.

Christian Hoßbach, Leiter der Stabsstelle »Transformation gestalten« in der Hans-Böckler-Stiftung
t1p.de/transformation-hbst 

DRUCK+PAPIER: Auch über Betriebsgrenzen hinweg?

Das ist die Idee von Weiterbildungsverbünden, einem vom Bundesarbeitsministerium geförderten Programm. Über Betriebs- grenzen hinaus passgenau Weiterbildungen für regionale Arbeitsmärkte zu entwickeln. Zurzeit gibt es bundesweit 53 Weiterbildungsverbünde. Manche sind branchenübergreifend aufgestellt, andere konzentrieren sich auf einzelne Branchen, Autoindustrie, Medienwirtschaft, Gesundheitswesen. Das ist ein gutes Beispiel, wie der Staat sinnvoll Ressourcen zur Gestaltung bereitstellen kann. Leider sind die Projekte bisher auf drei bis vier Jahre befristet, obwohl Transformationsprozesse natürlich sehr viel länger dauern.

Gibt es Beispiele aus Branchen, wo mit dem Wandel anders umgegangen wird?

Viel Augenmerk richtet sich derzeit auf die Autoindustrie und Kohlewirtschaft, zwei Branchen mit hoher Wertschöpfung und vielen Beschäftigten. Mit dem Ende des Verbrennermotors und dem Kohleausstieg drohen hier Strukturbrüche. Damit nicht Tausende von Menschen zu Verlierern werden, dürfen Staat und Wirtschaft diese großen Veränderungen nicht einfach dem Selbstlauf überlassen. Gutes Beispiel: Im Lausitzer Braunkohlerevier arbeiten die Deutsche Bahn und die Leag, das dortige Bergbau- unternehmen, eng zusammen. Beschäftigte aus dem Bergbau oder den Kohlekraftwerken haben mit dem neuen Instandhaltungswerk der Bahn in Cottbus eine echte Zukunftsperspektive, Bahn und Leag arbeiten bei Aus- und Weiterbildung verbindlich zusammen, gefördert aus Mitteln des Bundes.

Bei der Druckindustrie handelt es sich aber nicht um große Konzerne mit Tausenden von Beschäftigten.

Auch kleinere Betriebe sind wichtig für eine Stadt oder eine Region; schließlich gehen bei jeder Betriebsschließung Gewerbesteuer, Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren. Diese Betriebe sind ein wichtiger Teil der regionalen Struktur. Hier könnten regionale Transformationsnetzwerke unterstützen. Dort sollten die Sozialpartner, also Gewerkschaften und Unternehmensverbände, vertreten sein, Arbeitsagentur, Bildungsträger, Kammern, Hochschulen, Wirtschaftsförderung, berufliche Schulen. Ziel ist, Unternehmen zusammenzubringen und Qualifizierungen anzustoßen. Es ist wichtig, dass auch Betriebsräte beteiligt werden. Damit es bei den Betroffenen nicht zu einer großen Frustration kommt und zu dem Gefühl, hier geschieht alles über unsere Köpfe hinweg und wir können nichts tun.

Funktionieren diese Netzwerke?

Das ist unterschiedlich: in manchen Bundesländern gut, in anderen tut sich nicht viel. Es ist leider nicht selbstverständlich, dass sich Landespolitik tatsächlich um Arbeit und Entlohnung kümmert. Zu häufig wird Transformation der Fachebene im Wirtschaftsministerium oder der Wirtschaftsförderung überlassen. Es ist deshalb wichtig, dass Gewerkschaften in solchen Bündnissen und Netzwerken Druck machen, dass nicht ›irgendwelche‹ Arbeitsplätze entstehen, sondern anspruchsvolle, qualifizierte mit tariflichen Standards.

Wie sähe das Ideal aus?

Ein funktionierendes Transformationsnetzwerk in der Region, das Entwicklungen über Jahre beobachtet, Qualifizierungsangebote schafft und Beschäftigung sichert. Dafür muss Geld investiert werden. Wie in der Lausitz. Aber warum sollten solche Modelle nicht auch in kleinerem Maßstab funktionieren?