Druckindustrie

Wie es zugeht in der Haubold-Familie

Die einen steigern ihren Wert, die anderen verlieren ihre Arbeit

»Ich bin nicht gut auf die Gewerkschaft verdi zu sprechen und möchte daher keine Auskunft erteilen.« Nachtrag: »Sollten Sie mit Ihrer Berichterstattung Schaden über verbundene (!) Unternehmen bringen, verklage ich Sie umgehend.« Das war der erste Kontakt mit Felix Sperling auf die Anfrage von DRUCK+PAPIER, sich zu den Vorgängen zu äußern.

Felix Sperling, Ur-Ur-Enkel des Firmengründers, führt das Familienunternehmen in Eschwege laut Website in fünfter Generation. Dazu gehörte die Druckerei Haubold GmbH mit zuletzt 54 Beschäftigten, in der Eintrittskarten, Fahrscheine, Sicherheitsetiketten hergestellt wurden und die nun in Insolvenz ist. Die anderen beiden Firmen sind von der finanziellen Schieflage nicht betroffen. Die Firma Dr. Günter Gebhardt GmbH & Co. KG besitzt die Gebäude und Maschinen. Der Haubold & Sperling GmbH gehören die Kunden, Aufträge, Materialien und Zertifikate. In allen Firmen ist Felix Sperling Geschäftsführer oder Gesellschafter.

Für die Beschäftigten ist das ein missliches Konstrukt. Die Haubold-Firma, in der sie angestellt waren, besaß so gut wie nichts: kein Vermögen, kein Grundstück, keine Aufträge. Mit der Haubold & Sperling hatten sie einen einzigen Kunden. Springt der ab oder drosselt die Aufträge, ist die Existenz bedroht.

In schwierigen Zeiten gab es Unterstützungen für die Haubold GmbH. Sie erhielt in der Corona-Pandemie Darlehen von knapp 1,2 Millionen Euro von der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Außerdem Überbrückungshilfen in sechsstelliger Höhe. Als die Aufträge ausblieben, zahlte die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. Später finanzierte sie drei Monate lang Insolvenzgeld für die Beschäftigten.

In dieser heiklen Corona-Zeit wurde das Gebäude saniert. Nutznießerin ist die Firma Dr. Günter Gebhardt, Eigentümerin der Gebäude und Maschinen. Die geschätzten Kosten von mehreren 100.000 Euro trug die Firma Haubold als Pächterin. Kurze Zeit später beantragte sie Insolvenz.

Während des Insolvenzverfahrens gründete Felix Sperling eine neue Haubold-Firma. Seine Vorstellungen vom Haustarif lehnten die ver.di-Mitglieder, die wie die gesamte Belegschaft fast zehn Jahre lang auf Urlaubsgeld und Jahresleistung verzichtet hatten, einstimmig ab.

Ab diesem Zeitpunkt verschickte Sperling beleidigende und schmähende Mails, oft mit Emojis versehen. Die Gewerkschaftssekretärin verbreite »pure Gehirnwäsche gemischt mit gefährlichem Halbwissen«; sie gebe »ideologisch destruktiven Schwachsinn« ab. Den Anwalt des Betriebsrats bezeichnet der Firmenerbe als »faul, lethargisch« und als »Aasgeier«, der keine echten Kunden habe und seine »Knete von Arbeitgebern« erhalte.

Seit 1. Februar gibt es nun die neue, tarifgebundene Firma H+S Productions GmbH von Felix Sperling. Die fertigt, was Haubold früher produziert hat, ist ebenso besitzlos und hat Haubold & Sperling als einzigen Kunden. Von den einst 54 Beschäftigten sind noch knapp 30 übrig; die anderen wurden entlassen oder gingen freiwillig. Haubold ist aufgelöst. Übrig bleiben die Gläubiger wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die die Rückzahlung der knapp 1,2 Millionen Euro erwartet, und Beschäftigte, denen über Jahre tarifliche Leistungen vorenthalten wurden. Doch Haubold ist pleite und das Vermögen steckt in einer anderen Firma aus der Haubold-Familie. Mitte März wurde von einem Tag auf den anderen das Betriebsratsbüro samt Unterlagen leer geräumt – ohne Wissen des Betriebsrats. Im Büro steht nun Sperlings Kicker.

Ein ehemaliger Beschäftigter erinnert sich, wie die Eltern ihren Sohn Felix vor Jahren als künftigen Firmennachfolger vorstellten und der Vater sagte: »Mal schauen, ob das was für ihn ist.«