Zeit für mehr Geld!
Tarifrunde Druckindustrie in 2024: Die Löhne müssen steigen | Beschäftigte wandern ab
Noch ist die Lohnforderung in der Druckindustrie nicht beschlossen. Darüber entscheidet die Tarifkommission am 18. Dezember (nach Redaktionsschluss). Aber eins ist klar: »Es muss endlich was rein in den Geldbeutel!« Denn die Druckindustrie hat viele Jahre mit geringen Lohnsteigerungen hinter sich. Die Preise sind dagegen enorm in die Höhe geschnellt. Wie ist die Stimmung in den Betrieben?
Dietmar Bexkens, Mitglied der Tarifkommission und im Betriebsrat bei Schaffrath in Geldern
»Die hohe Inflation trifft die Beschäftigten in der Druckindustrie besonders hart, weil unsere letzte Lohnerhöhung nur 1,5 Prozent ausgemacht hat. Damit rutschen wir schwer ins Minus. Dafür ist der Manteltarifvertrag für 30 Monate wieder in Kraft gesetzt worden – ohne Änderungen! Der macht allein etwa ein Drittel des Einkommens aus. Das weiß die Belegschaft bei uns zu schätzen. Trotzdem tun die 1,5 Prozent weh. Die Kolleg* innen verlangen außerdem nach einer tariflichen Altersteilzeit. Wer jahrelang Dreischicht gearbeitet hat, schafft das nicht bis 67.«
Torsten Friedrich, Mitglied der Tarifkommission und im Betriebsrat der Zeitungsdruckerei der Süddeutschen Zeitung in München
»Ja, wir wissen, dass die Druckindustrie in einer Krise ist. Wir erleben hautnah, wie eine Druckerei nach der anderen schließt. Aber wir sind auch in der Krise: Seit Jahren bekommen wir nur niedrige Lohnerhöhungen. Zuletzt haben wir mitten in der Corona-Pandemie verhandelt. Wir waren bereit, die Lohnerhöhungen zu verschieben, und haben uns darauf eingelassen, das Lohnabkommen um fünf Monate zu verlängern. Unter dem Eindruck der Pandemie haben wir nur wenig mehr Lohn rausholen können und das bei einer langen Laufzeit. Ja, Gold wert war das Wiederinkraftsetzen des Manteltarifvertrags. Uns hat aber die Inflation richtig erwischt. Es muss jetzt was rein in den Geldbeutel! Und zwar in die Tabelle.«
Jörg Liehmann, Tarifkommissionsmitglied und Betriebsratsvorsitzender bei Jungfer-Druck, Herzberg im Harz
»Ich sehe an der hohen Beteiligung bei der Beschäftigtenbefragung, dass es unserer Belegschaft wichtig ist, was bei den Lohnverhandlungen rauskommt. Auch wenn wir durch den Haustarifvertrag nicht direkt betroffen sind. Die Tarifverträge der Druckindustrie sind unsere Leitwährung. Da wollen wir wieder hin. Weil wir gut organisiert sind, haben wir schon Verbesserungen erreicht. Eigentlich müsste das Unternehmen von sich aus mehr bezahlen. Wir haben mehr Aufträge, als wir produzieren können, weil uns die Leute fehlen.«
Werner Bareth (li.) und Peter Schmid, beide sind Mitglieder der Tarifkommission und im Betriebsrat von Huhtamaki in Ronsberg
»Huhtamaki hat keinen Cent Corona-Prämie und keine Inflationsausgleichsprämie gezahlt. So gut wie jede Branche hat höhere Lohnabschlüsse rausgeholt. Es muss endlich mehr Geld aufs Konto. Die Leute laufen uns davon! Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren um die 50 Fachkräfte verloren. Die wandern ab in die Milchwirtschaft, die Nahrungsmittelindustrie oder die Metall- und Elektroindustrie – dort wird mehr bezahlt. Was soll erst werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen? Wer folgt ihnen nach? Noch was: Wir brauchen eine tarifliche Altersteilzeit. Schichtarbeit geht auf die Knochen. Allein unter dem Aspekt der Arbeitsbelastung ist die 35-Stunden-Woche viel wert.«
Bruno Stiehle, Mitglied in der Tarifkommission und im Betriebsrat bei CPI Ebner & Spiegel, Ulm
»Die Druckindustrie muss umdenken, wenn sie ihre Leute halten will. Die Kolleg*innen verlassen die Druckindustrie. Drucker und Helfer wechseln in andere Branchen. Das führt dazu, dass wir inzwischen Probleme haben, die Schichten zu besetzen. Ordentlich mehr Lohn würde helfen, die Beschäftigten zu halten und für Bewerber*innen attraktiv zu werden. Wir haben seit Jahren Reallohnverluste. Und jetzt kommen die Kolleg*innen in den unteren Lohngruppen kaum über die Runden bei den hohen Heiz-, Strom- und Benzinkosten.«
Jens Müller, Tarifkommissionsmitglied und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei G+D Currency Technology Wertpapierdruckerei, Leipzig
»Ich höre im Betrieb Folgendes: Wir müssen eine ordentliche, tabellenwirksame Lohnerhöhung durchsetzen. Und der Manteltarifvertrag muss erhalten bleiben! Die Kolleg*innen wissen zwar, dass es in dieser Tarifrunde um den Lohn geht, aber vielen ist die Angleichung der Arbeitszeit wichtig. Ob 38 Wochenstunden wie im Osten oder 35 wie im Westen, Hauptsache gleich. Und die Schichtarbeitenden wollen, dass sich die Arbeitszeit auch mal nach ihren Bedürfnissen richtet und nicht nur nach der Produktion.«
Der Lohntarifvertrag
Der Lohntarifvertrag endet am 29. Februar 2024. Nach einem weiteren Monat in der Friedenspflicht kann ab 1. April gestreikt werden, falls es zu keiner Einigung am Verhandlungstisch kommt (damit korrigieren wir den redaktionellen Fehler in der Ausgabe 3/2023).
Zuletzt stiegen die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen in der ersten Stufe um 2 Prozent und zum 1. Mai 2023 um weitere 1,5 Prozent. Die Laufzeit beträgt 25 Monate.