Mein Standpunkt

Was hältst du von einem höheren Mindestlohn?

»Ein höherer gesetzlicher Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro ist dringend nötig. Auch wenn das nicht reichen wird. Schon jetzt müsste der Mindestlohn 12,61 Euro betragen, damit niemand in der Rente auf Grundsicherung angewiesen ist. Das haben das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung herausgefunden. Eins ist doch klar: Was sich die Betriebe heute an Lohn sparen, muss die Allgemeinheit später über Steuern an Grundsicherung finanzieren.

Von einem armutsfesten Mindestlohn sind wir weit entfernt. Auch wenn das Bundeskabinett der Empfehlung der Mindestlohnkommission gefolgt ist: Der Mindestlohn steigt ab nächstem Jahr von 9,35 auf 9,50 Euro und in weiteren Stufen auf 10,45 Euro im Juli 2022. Das sind viel zu kleine Schritte und viel zu große Abstände. Seit der Einführung des Mindestlohns haben wir es innerhalb von fünf Jahren gerade mal auf eine Steigerung von 85 Cent gebracht.

Ulf Skerra, Betriebsratsvorsitzender bei Evers-Druck in Meldorf

Ein deutlich höherer Mindestlohn käme unseren rund 27 Produktionshelfer*innen zugute, die nur 10,10 Euro pro Stunde erhalten. Evers-Druck, tariflos seit 1989, hat innerhalb der vergangenen zehn Jahre den Stundenlohn lediglich zwei Mal um 15 Cent angehoben. Früher hatten wir allerdings mehr als doppelt so viele Niedrigverdiener. Der Betriebsrat hat jedoch gemeinsam mit der IHK Umschulungen zum Maschinen- und Anlagenführer initiiert. Mit Erfolg: 23 Kolleg*innen haben das geschafft, manche schon nach sechs bis neun Monaten. Sie werden nach einem Jahr mit 13,37 Euro eingruppiert – ein gewaltiger Sprung. Weiteren 28 Kolleg*innen mit Facharbeiterbriefen in anderen Berufen wurde der Maschinen- und Anlagenführer ohne Prüfung anerkannt. Natürlich ist der Mindestlohn nur eine Notlösung. Ziel wäre, Evers-Druck wieder in die Tarifbindung zu bekommen, aber die Firma war in einer schweren Krise und erholt sich nur langsam. Das wird noch dauern.«