Unterwegs zum Prüfer
Stundenlang schaut Roland Neuburg einem Prüfling über die Schulter – Fehler sind nicht schlimm, Hauptsache, sie werden klug gelöst
Roland Neuburg machte sich auf zur Prüfung in einem Betrieb, der Aufkleber herstellt. Wie immer kam noch ein Prüfer mit – die Abschlussprüfungen werden zu zweit abgenommen, um späterem Ärger vorzubeugen. An der Maschine wartete bereits der Prüfling – ein künftiger Medientechnologe Siebdruck. Die ersten Arbeitsschritte hatte er schon erledigt. Die Aufgabe war vorgegeben: Er sollte einen vierfarbigen Druck erstellen mit sechs Nutzen – also sechs gleiche Objekte aus dem gleichen Werkstoff. Das Material durfte er selbst aussuchen. Der junge Mann hatte sich für Hart-PVC entschieden.
Damit sich die Aufregung legt
Es sei üblich, den Prüflingen Vorsprung zu geben. »Dann sind sie schon mal im Rhythmus und die Aufregung hat sich gelegt.« Die Prüfer schauten zu und kommentierten kaum. »Der junge Mensch soll zeigen, dass er selbstverantwortlich handelt. Wenn ein Fehler passiert, ist das legitim. Ich möchte sehen, wie er das Problem löst.«
Beim zweiten Durchgang passierte es: Von den sechs Nutzen passten nur die drei unteren. Der Prüfling behalf sich, indem er zuerst die drei unteren und anschließend die drei oberen Nutzen druckte. Dafür klebte er jeweils die nicht zu druckenden Nutzen im Sieb mit Silberfolie ab. Gut gemacht.
Nach dem ersten Färbevorgang ist es stets erlaubt, von 50 Bögen 20 gelungene auszusortieren. Diese Bögen zeichnen die Prüfer handschriftlich ab, dann darf der Prüfling seine Arbeit zu Ende führen. Das fertige Paket mit den 20 Bögen geht nach Köln an die Industrie- und Handelskammer zum Prüfungsausschuss. »Wir gucken uns jede Mappe einzeln an und be werten sie.« Die Prüflinge kennt Neuburg in der Regel persönlich – aus den Betrieben und der Berufsschule.
Berufung und Leidenschaft
Hochsaison für Roland Neuburg, 69, ist im Frühling, wenn das Ausbildungsjahr zu Ende geht. Praktische Abschlussprüfungen sind auch zeitaufwendig. Sie können durchaus sechs, sieben Stunden dauern. Aber eigentlich beschäftigt ihn seine Auf gabe das ganze Jahr über. Er ist selbst Siebdrucker und leitet den für diese Berufssparte zuständigen Prüfungsausschuss an der Industrie- und Handelskammer in Köln seit 32 Jahren. Berufen hat ihn damals ver.di. Genauso lang gehört Neuburg als ver.di-Vertreter dem Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) an – eine gemeinsame Einrichtung von ver.di und dem Druckunternehmerverband. Zu den Aufgaben des ZFA gehört es, die Prüfungsaufgaben zu erstellen. »Die Idee war damals, dass es bundesweit einheitliche Standards geben muss, damit jeder Azubi, der in ein anderes Bundesland umzieht, seine Ausbildung ungehindert fortsetzen kann.« Das habe sich bewährt. Die Qualität der Ausbildung weiterzuentwickeln sei für ihn »Berufung und Leidenschaft«.