Arbeit

Aus dem Leben eines Mediaberaters

Immer unter Druck | Trotz Festanstellung wenig Absicherung | 
Niedriges Fixum | Einkommen sinkt

Nennen wir ihn Max Helferich. Den Titel der Zeitung, bei der er als Mediaberater angestellt ist, will er nicht nennen. Auch nicht seinen Namen. Er fürchtet, entlassen zu werden, wenn seine Chefs den Artikel lesen. Nur so viel: Die Zeitung hat ihren Sitz im Süden der Republik.

Kontakt mit den Kunden, Anzeigen verkaufen und gestalten, Werbepläne erstellen, das mache er seit mehr als 30 Jahren gern, betont er. Er findet seine Arbeit auch wichtig: Schließlich sichern die Anzeigen, die er und die anderen Mediaberater*innen an Land ziehen, das Überleben der Zeitung.

Er ackert …

Max Helferich erhält nicht einmal 800 Euro im Monat plus Provision. Die Zahl muss er oft wiederholen, weil sein Gegenüber glaubt, sich verhört zu haben. Urlaubsgeld oder eine Jahressonderleistung zu Weihnachten bekommt er – anders als die sonstigen Zeitungsangestellten – nicht. Er nutzt sein privates Auto und sein privates Mobiltelefon für die Arbeit; bezahlt wird lediglich eine Kilometerpauschale. Hat er Urlaub oder ist er krank, bleibt ihm wie den anderen Mediaberater*innen nur das Fixum und die Provision der vorher erarbeiteten und in dieser Zeit erscheinenden Anzeigen.

Also ackert er noch mehr, schafft ein Polster ran, ist noch effizienter, noch fleißiger. Von Jahr zu Jahr sinkt sein Einkommen, denn das Anzeigengeschäft wird schwieriger. Die Firma setzt ihm jedes Quartal ein Ziel. Immer ein klein wenig höher. Erreicht er das Ziel, erhält er eine Sonderprovision. Das letzte Quartal war er nur knapp drüber. Manchmal schläft er schlecht und fühlt einen Druck auf der Brust.

Sein Provisionssatz ist gut. Er bekommt im Jahr etwa so viel Geld wie ein Zeitungsredakteur am Anfang seines Berufslebens. Eine Erhöhung des Fixums haben seine Chefs jedoch abgelehnt. Sie finden, er verdiene genug.

Tarifgebunden ist die Firma nicht, der Betriebsrat hält sich von Gewerkschaften fern und stellt sich mit den Chefs gut. Immerhin hat die Firma kürzlich für alle Beschäftigten das Entgelt und für die Mediaberater*innen das Fixum hochgesetzt. Nur für ihn nicht. Obwohl er fest angestellt ist, wird das unternehmerische Risiko bei ihm abgeladen. Manchmal denkt er, die Firma halte ihn absichtlich kurz. Damit er nicht nachlässt und weiterhin den höchsten Umsatz bringt.

Max Helferich ist oft erkältet, als habe sein Immunsystem keine rechte Lust mehr, sich den Viren zu widersetzen. Das Magendrücken kommt häufiger, die Kopfschmerzen auch. Er fühlt sich wie unter Strom. Zur Ruhe zu kommen, gelingt ihm selten. Eine Ursache findet der Arzt nicht.

… aber die Belohnung bleibt aus

Der Medizinsoziologe Johannes Siegrist von der Universität Düsseldorf würde von einer Gratifikationskrise sprechen. Vereinfacht gesagt stimmt dabei das Verhältnis von Geben und Nehmen nicht. »Wer sich jahrelang verausgabt, aber nicht die erhoffte Belohnung erhält, hat ein doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken.« Die Belohnung kann eine ordentliche Bezahlung sein, ein Aufstieg, eine Weiterbildung, eine Festanstellung oder die Sicherheit, den Arbeitsplatz zu behalten, aber auch Wertschätzung und Anerkennung. Fehlt einer dieser Bausteine, steigt das Risiko, krank zu werden.

Die Geschäftsführung hat jetzt Obstkörbe aufstellen lassen. Damit sich die Leute wohlfühlen. Max Helferich, 60, denkt immer öfter an Aufhören.