Tarifrunde

Gesucht: Vernunftbegabter 
 Arbeitgeberverband

Tarifverhandlungen stecken fest | Flächentarifvertrag steht auf der Kippe | ver.di fordert regionale Verbände zu Gesprächen auf

Der Arbeitgeberverband der Druckindustrie hat den Manteltarifvertrag nicht das erste Mal gekündigt. Es ist auch nicht das erste Mal, dass es nach fünf Verhandlungsterminen noch kein Ergebnis gibt. Warum die Aufregung?


Andreas Fröhlich: Es ist in den vergangenen 15 Jahren noch nicht passiert, dass die Verhandlungen so festgefahren waren und die Gewerkschaft und der Bundesverband Druck und Medien ohne weiteren Termin auseinandergegangen sind. Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich nicht, ob wir es noch einmal schaffen, einen bundesweiten Mantel
tarifvertrag zu vereinbaren.

Es sah doch so aus, als würde zunächst ausschließlich über eine Lohnerhöhung verhandelt und danach über den Manteltarifvertrag. Jetzt ist das anders. Wie ist es dazu gekommen?


Andreas Fröhlich ist einer der Verhandler auf der Seite von ver.di. Foto: Stefanie Herbst

Das hat uns auch überrascht. Zumal wir vor den Lohnverhandlungen mit dem Arbeitgeberverband elf Runden lang über den Manteltarifvertrag geredet haben. Am Ende dieser Gespräche gab es klare Hinweise vom Bundesverband Druck und Medien, dass es auch denkbar sei, zunächst nur ein Lohnabkommen zu vereinbaren.

Ein Sinneswandel beim Verband? 


Offensichtlich. Bei der dritten Verhandlungsrunde am 19. Oktober erklärte er, nur dann zu Lohnerhöhungen bereit zu sein, wenn wir Verschlechterungen beim Manteltarifvertrag zustimmen. Das haben wir aber von vornherein abgelehnt und werden das auch jetzt nicht tun. Der Bundesverband will den Belegschaften nicht nur keinen Schutz durch den Manteltarifvertrag zugestehen. Jetzt enthält er ihnen auch noch Lohnerhöhungen vor.

Es wird keinen Lohnabschluss geben?


Zumindest nicht mit dem Bundesverband Druck und Medien. Wir haben am 30. November den bayerischen Druck-Arbeitgeberverband schriftlich dazu aufgefordert, über die unveränderte Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrags zu sprechen. Und über fünf Prozent mehr Lohn. Ein ähnliches Schreiben geht für Nordrhein-Westfalen raus. Es könnten Baden-Württemberg und Nord folgen.

Warum sollten Tarifverhandlungen mit den regionalen Arbeitgeberverbänden besser gelingen als mit dem Bundesverband Druck und Medien? 


Wir gehen davon aus, dass es sich 
in Bayern und Nordrhein-Westfalen 
um vernunftbegabtere Verbände 
handelt.

Der Bundesverband ist besonders hartleibig?


Ich würde es anders sagen: Der Verband ist der irrigen Meinung, mit neoliberalen Heilsversprechen auf die Krise in der Druckindustrie reagieren zu können. Entgegen vielen tarifgebundenen Mitgliedsfirmen. Wir haben Beweise, dass Druckbetriebe am liebsten heute statt morgen ihren Belegschaften den Manteltarifvertrag unverändert zurückgeben möchten. Die schauen mit großen Sorgen auf das riskante Verhalten des Bundesverbandes Druck und Medien. Unserer Ansicht nach verhält er sich unverantwortlich. Offensichtlich haben die Mitgliedsbetriebe, die den Tarifvertrag nicht anwenden, das Ruder übernommen.

Der Arbeitgeberverband hat einen offenen Brief veröffentlicht, in dem er euch heftig angreift. Wie reagiert ihr darauf?


Wir haben geantwortet, weigern uns jedoch, auf jede Phrase und jedes Rumgepoltere einzugehen. Allerdings haben wir noch einmal klargestellt, dass der Arbeitgeberverband die Gespräche zur Reform der Tarifverträge beendet hat. Nicht ver.di. Und dass sich der Arbeitgeberverband geweigert hat, den Manteltarifvertrag wieder in Kraft zu setzen und einen Lohntarifvertrag abzuschließen.

Eine Frage zum Manteltarifvertrag: Ihr habt in 2005 schmerzhafte Einschnitte akzeptiert, 2011 nicht mehr und jetzt will ver.di auch keine Kompromisse mehr eingehen. Warum?


Das ist richtig. Im Jahr 2005 wurden Zuschläge gesenkt, Öffnungsklauseln und Arbeitszeitflexibilisierung erweitert, Freischichten reduziert – und was hat es gebracht? Nichts. Die Betriebe gehen trotz unseres Nachgebens aus der Tarifbindung heraus. Es ist eine Mär, die der Arbeitgeberverband gern verbreitet: ver.di müsse nur nachgeben, dann seien die Tarifverträge auch wieder attraktiv für 
die Unternehmen. Das ist nachweislich falsch. Würden wir jetzt nachgeben, würde das Niveau nur weiter gesenkt.

Zurück zu regionalen Verhandlungen. Wie soll das gehen? Erst ein Pilotabschluss in einer Region, der von den anderen Regionen übernommen wird?


Ja, das ist die Idee. Das ist in der Metall- und Elektroindustrie und im Einzelhandel auch üblich.

Wenn das gelingt, ist der Bundesverband doch als Tarifpartner überflüssig?


Er würde meines Erachtens nur noch ein Wirtschaftsverband sein. Denn das Haupttätigkeitsgebiet von Arbeitgeberverbänden sind Tarifberatung und Tarifverhandlungen für Mitgliedsbetriebe.

Und wenn es nur in ein, zwei 
Regionen gelingt, Tarifverträge 
abzuschließen?


Dann werden wir in einzelnen Konzernen und Unternehmen Haustarif­verträge abschließen. Unsere gut organisierten Belegschaften müssen sich keine Sorgen machen: Wir lassen sie nicht im Regen stehen.

Fotos von den Streiks sind unter 
www.verlage-druck-papier.verdi.de zu sehen.

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