Verraten und verkauft
Vom Niedergang der Löhne im Druckzentrum Essen
»Perfide« nennt ver.di-Bezirkssekretärin Bärbel Sumagang die Strategie der Unternehmer im Druckzentrum Essen. Noch bis 2011 erhielten die gut 100 Minijob ber/innen, die dort Prospekte einlegen, den Tariflohn der Druckindustrie. Sie fühlten sich auch noch sicher, als ihre Arbeit in eine 100-prozentige Tochter des damaligen WAZ-Konzerns verschoben wurde. Schließlich hatte die Geschäftsleitung versichert: »Für euch ändert sich nichts.« Heute weiß man: Das war der erste Schritt für den Abstieg. Die Kollegen wurden nur ein Jahr später »verraten und verkauft«.
2012 ging die Tochterfirma an einen Personaldienstleister. Dort gab es nur noch teilweise den Tariflohn. Viele unterzeichneten neue, für sie schlechtere Arbeitsverträge. Neue Beschäftigte erhielten lediglich den gesetzlichen Mindestlohn. Und oft wurde versucht, die Beschäftigten – etwa bei Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub – um ihr Geld zu bringen. Rund 20 Klagen strengte die Gewerkschaft gegen den Arbeitgeber an – alle wurden gewonnen. Der starke Betriebsrat ärgerte den Personaldienstleister.
Noch folgenschwerer war das Vorgehen der neuen Eigentümer, der Funke Mediengruppe. Sie forderte Einsparungen von 200.000 Euro und trieb den Personaldienstleister 2016 in die Insolvenz.
Die Arbeiten gingen dann – billiger – an einen neuen Anbieter. Im Zuge des Übergangs verloren alle aktiven Gewerkschafter ihre Jobs. Bis heute haben sie nicht einmal Abfindungen gesehen. Die Minijobber/innen, die heute dort arbeiten, bekommen nur den gesetzlichen Mindestlohn. Gewerkschafterin Sumagang geht davon aus, dass kaum einer seinen Lohn während Krankheit und Urlaub erhält. »Die meisten wissen nicht, dass ihnen das zusteht. Und wer es weiß, der traut sich nicht, seinen Anspruch geltend zu machen.« Die Prospekteinleger haben befristete Verträge, einen Betriebsrat gibt es nicht mehr. Wer seine Rechte einklage, müsse fürchten, dass der Vertrag nicht verlängert werde. Mit einer neuen Chance für die Gewerkschaft rechnet sie erst wieder, wenn die Kollegen fest angestellt werden müssen.