Arbeit

So gut wie alles neu erfunden

Interview mit Christin Lieke

DRUCK+PAPIER: Das Druckhaus Berlin-
Mitte war die erste Druckerei, die 2015 
für den Blauen Engel zertifiziert wurde. Was bringt Ihnen das?

Christin Lieke: Vor allem bringt es unseren Kunden etwas. Nämlich den Vorteil, dass alle Prüfungen schon vorab durchgeführt sind und die Stelle, die den Blauen Engel vergibt, die Genehmigungen für bestimmte Produktgruppen wie Flyer oder Broschüren schon erteilt hat. Das spart unseren Kunden Zeit und Geld.

Als Umweltbeauftragte hatten Sie 
vorrangig mit Recherchen zu tun?

Mit Recherche und Aufklärung. Zwar gab es zum Start schon verwendbare Recyclingpapiere, aber weitere Einsatzstoffe mussten erst neu ge- oder erfunden werden. So waren die Druckfarben verschiedener Hersteller zwar mineralölarm oder gänzlich auf Pflanzenbasis, enthielten aber Kobalt als Trockner. Das ist unzulässig, da sich die Farbe nicht mehr von der Papierfaser lösen lässt.

Christin Lieke
, Qualitäts- und 
Umweltbeauftragte 
Druckhaus 
Berlin-Mitte

Gleiches gilt für Lacke und Leime. Alles muss von der Faser gelöst werden können, also deinkbar sein. Lieferanten und Kooperationspartner aufzuklären, zur Mitarbeit zu überzeugen und erforderliche Unterlagen einzufordern, war oft wirklich aufwendig. Beim Hardcover-Buch brauchten wir sechs verschiedene Leime. Drei Monate lang haben wir gemeinsam mit dem Buchbinder experimentiert …

Jetzt ist die Produktpalette mit 
Blauem Engel komplett?

Ja, wir wissen, was alles umsetzbar ist. Ein paar Feinheiten sind noch zu klären, etwa die Suche nach doppelseitigem Klebeband für Mailing-Mappen. Gerade für die Weiterverarbeitung ist in der Vergabegrundlage etliches kaum geregelt. Ich hoffe, da wird noch konkretisiert. Und dass weitere Hersteller und mehr Druckereien mitziehen.

Was kostet so ein umweltfreundliches Druckprodukt?

Die Preise liegen eher im gehobenen Bereich. Das gilt für alle unsere Erzeugnisse, da die gesamte Produktion nachhaltig aufgestellt ist und nur noch Stoffe verwendet, die auch für den Blauen Engel geeignet sind. Die Bearbeitungsgebühr, die fällig wird, um ein konkretes Druckerzeugnis bei der Vergabestelle für den Blauen Engel zu beantragen, reichen wir lediglich eins zu eins an unsere Kunden weiter. Es gibt aber auch Sparpotenzial: Da wir nur noch kobaltfreie Farbe auf Pflanzenbasis einsetzen, entfallen etwa die Farbwechsel zwischen den Drucken. Anfang des Jahres haben wir zudem die prozesslose Platte eingeführt.

Hat sich der Aufwand gelohnt?

Auf jeden Fall. Wir haben so gut wie alles neu erfinden müssen – das war spannend und jedes Mal ein toller Erfolg. Die Hauptsache: ein gutes Gewissen gegenüber unseren Kunden, auch mit Blick auf die Umwelt.