
Verlage ohne Plan
Medienunternehmen haben keine gemeinsame Strategie – außer Kosten zu senken
Podiumsdiskussion mit Betriebsräten, Gewerkschaftern, Unternehmern und einem Wissenschaftler
Ein »Tsunami« fege über die Medienbranche hinweg, sagte der Unternehmensberater Christian Hasselbring auf einer Konferenz von Betriebsräten aus Zeitungsverlagen am 5./6. Juli in Berlin – ein apokalyptisches Bild. Der ersten Welle der Digitalisierung werde eine zweite, noch gewaltigere folgen. Dazu zeigte Hasselbring ein Foto mit einer Tsunami-Welle, die auf eine südostasiatische Küste trifft. Die unmissverständliche Botschaft: Es wird Opfer geben. Und zwar unter den Verlagen und ihren Beschäftigten.
Wie die Medienunternehmen dieser Entwicklung begegnen, stellten die Geschäftsführer Matthias Ditzen-Blanke von der Nordsee-Zeitung und Klaus Schrotthofer von der Neuen Westfälischen bei einer Podiumsdiskussion dar. Ditzen-Blanke erklärte, man wolle mit einer »Mehrmarkenstrategie« gezielt unterschiedliche Gruppen ansprechen. Schrotthofer gab zu, die deutschen Verlage hätten in den vergangenen Jahren viele Chancen verpasst. Sein Unternehmen setze vor allem darauf, sich als regionale »Kommunikationsplattform« zu etablieren.
Die folgende Debatte machte klar, dass eine einheitliche Strategie der Verleger nicht in Sicht ist. Der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Frank Werneke erkannte vielmehr eine »gewisse Konzeptlosigkeit«, gepaart mit einer »Radikalisierung«. Letztere machte er daran fest, dass insbesondere große Konzerne vor allem auf die Senkung der Arbeitskosten setzten. »Als Mittel dazu dient ein perfektioniertes System von Tarifflucht durch Zergliederitis.« Die Unternehmen würden in immer kleinere Einheiten unterteilt, um Mitbestimmung und Tarifverträge zu umgehen, obwohl das für die Arbeitsorganisation alles andere als sinnvoll sei. Die Betriebsräte und ver.di müssten darauf Antworten finden – zum Beispiel indem sie stärker ganze Konzerne in den Blick nehmen und versuchen, dort einheitliche Regelungen durchzusetzen.
Karin Wagner von der Märkischen Allgemeinen Zeitung hob hervor, wie bedeutend gerade vor dem Hintergrund der rasanten Veränderungen die Qualifizierung der Beschäftigten ist. »Das Betriebsverfassungsgesetz gibt uns hier Durchsetzungsmöglichkeiten – wir müssen sie nur nutzen«, sagte sie zu den versammelten Betriebsräten. Wichtig sei auch, die betrieblichen Interessenvertreter stärker zu vernetzen. Die mit rund 70 Teilnehmer/innen gut besuchte Konferenz war dazu ein wichtiger Anfang.