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Löhne rauf – Stress runter

Hoher Arbeitsdruck in der Papierverarbeitung. Beschäftigte wollen Entlastung im Alter und mehr Geld

Die Beschäftigten der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie stehen unter Druck. Das zeigen die ersten Ergebnisse einer Befragung von ver.di. Demnach leidet ein Großteil der Kolleginnen und Kollegen unter steigender Arbeitsbelastung. Zugleich fordern sie eine bessere Bezahlung. Letzteres wird bei der im Herbst stattfindenden Tarifrunde Thema werden. »Die vorläufigen Ergebnisse zeigen klar: Die Belastung der Kolleginnen und Kollegen ist hoch – zu hoch«, erklärt ver.di-Fachgruppenleiter René Rudolf. Nur jeder Vierte gehe davon aus, bis zum gesetzlichen Rentenalter im Beruf durchzuhalten. »Vor diesem Hintergrund äußern viele den Wunsch nach Entlastungsmöglichkeiten im Alter.« Sie könnten sich beispielsweise Modelle vorstellen, wonach Schichtarbeit für Ältere mit Teillohnausgleich reduziert wird. Auch die klassische Altersteilzeit, die es besonders in kleineren Betrieben kaum noch gibt, hat für die Belegschaften einen hohen Stellenwert.

Thema auch für Jüngere

Friedbert Moch, Betriebsratsvorsitzender bei Debatin im badischen Bruchsal, kann diese Aussagen nur bestätigen. »Bei uns sagen fast 60 Prozent, dass die Arbeitsbelastung zu hoch oder viel zu hoch ist«, berichtet der Interessenvertreter. »Über 80 Prozent fordern deshalb eine Entlastung älterer Kollegen.« Moch hat das durchaus überrascht. Denn die Bruchsaler Produktionsarbeiter sind mit einem Altersdurchschnitt von 42 Jahren größtenteils noch weit von der Rente weg. Dennoch ist ihnen offenbar schon jetzt klar, dass sie es zu den derzeitigen Bedingungen bis dahin nicht unbeschadet überstehen.
 Das entscheidende Problem sind laut Moch die extrem kurzen Taktzeiten. »Die Maschinen geben ein enorm hohes Tempo vor, das die Kolleginnen unter Dauerstress setzt.« Betroffen seien in diesem Bereich vor allem Frauen. Zwar seien Lärm, Gerüche und andere Beeinträchtigungen infolge der technischen Entwicklung zurückgegangen. Zugleich habe aber die psychische Belastung massiv zugenommen. Neben Ausstiegsszenarien für Ältere könnte sich Moch auch die Einführung von Erholzeitpausen vorstellen, wie es sie in der Metallindustrie gibt. »Ob das erreichbar ist, weiß ich nicht – es wäre in jedem Fall sinnvoll.«
 Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen wollen ver.di und Betriebsräte langfristig angehen, zum Beispiel mit betrieblichen Vereinbarungen. Bei der im Herbst anstehenden Tarifrunde geht es hingegen erst mal nur ums Geld. Auch das ist allerdings ein dringendes Anliegen der Kolleginnen und Kollegen, wie die Befragung zeigt. Über die Forderung entscheidet die ver.di-Tarifkommission am 22. September, die Verhandlungen beginnen am 4. November.