Menschen & Meinungen

Kampf- und Solidargemeinschaft

Seit 150 Jahren streiten Gewerkschaften für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Festakt in Berlin.

»Gerechtigkeit steckt ver.di in den Genen.« Das stellte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei einem Festakt am 28. Juni vor rund 200 geladenen Gewerkschafter/innen und Gästen in Berlin fest. Anlass war ein doppeltes Jubiläum: Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft besteht seit nunmehr 15 Jahren. Und vor 150 Jahren kamen 34 Buchdruckergehilfen vom 20. bis 
22. Mai 1866 aus ganz Deutschland zusammen, um als Deputierte örtlicher und regionaler 
Buchdruckervereine in Leipzig den Verband der Deutschen Buchdrucker zu gründen – der in einer historischen Linie mit der späteren IG Medien und der heutigen ver.di steht.

Harte Konflikte

Bsirske blickte in seiner Festrede auf die vergangenen 15 Jahre zurück, auf harte Konflikte und teilweise wochenlange Streiks, mit denen Beschäftigte Tarifverträge erkämpften. Als Beispiele nannte er die Druckerinnen und Drucker sowie die Journalist/innen an Tageszeitungen – Branchen, in denen immer wieder für den Erhalt der Tarifbindung gestreikt werden musste. Ziel sei es stets gewesen, bessere Arbeits- und Lebensbedingungen durchzusetzen. »Wenn man uns in diesem Zusammenhang als besonders kampffreudig wahrnimmt, ist das eine Auszeichnung«, betonte Bsirske.

Den Grundstein legten vor 150 Jahren die Buchdrucker, die mit hohem persönlichen Einsatz einen ersten Tarifvertrag erkämpften. Bereits 1848 gab es einen ersten Entwurf, doch es dauerte weitere 25 Jahre, bis eine Regelung unter Dach und Fach war. Dazu nötig waren Streiks, auf die die Unternehmer vielfach mit Entlassungen reagierten. Aber der Leidensdruck war groß. Technische Umstellungen durch einen größeren Maschineneinsatz bedrohten Arbeitsplätze. Dies und der ausbeuterische Einsatz 
von Lehrlingen – die sogenannte Lehrlingszüchterei – führten dazu, dass nur wenige Buchdrucker von ihrer Arbeit leben konnten bzw. überhaupt noch Arbeit fanden. Sie setzten sich zur Wehr – und begründeten eine Bewegung, die bis heute für die Rechte der abhängig Beschäftigten streitet.

Ein Machtfaktor

»Gewerkschaften sind eine Kampf- und Soli
dargemeinschaft«, so der stellvertretende 
ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Das gelte früher wie heute – auch wenn der Verband der Deutschen Buchdrucker eher eine konservative, statusbetonte und elitäre Gewerkschaft gewesen sei, die zum Beispiel die Mitgliedschaft von Frauen strikt ablehnte, was sich erst 1920 änderte.

Werneke würdigte auch die zentrale Rolle der Gewerkschaftszeitschrift Der Correspondent, die am 1. Januar 1863 zum ersten Mal herauskam. Der Vorläufer der DRUCK+PAPIER sei wichtig zur politischen Mobilisierung der Beschäftigten gewesen. Die Zeitung erschien bis zu drei Mal pro Woche und musste neben dem Mitgliedsbeitrag extra bezahlt werden.
 Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) betonte, die Buchdrucker hätten als Gewerkschaft wegweisend agiert, kämpferisch und vor allem zäh. Sie hätten Umbrüche gemeistert – so wie Gewerkschaften es auch heute noch tun. 
Auch Werneke stellte selbstbewusst fest: »Wir wären heute nicht da, wo wir sind – wenn es in den letzten 150 Jahren nicht die Menschen in den Gewerkschaften gegeben hätte, die für Fortschritt, Gerechtigkeit und Demokratie gekämpft haben.« Aller Schwierigkeiten und Niederlagen zum Trotz seien Gewerkschaften bis heute ein Machtfaktor: »Ohne uns sähen Arbeitswelt und Sozialstaat anders aus.«

Video von ver.di-TV zum Festakt in Berlin, inklusive einer Performance der Bremer Shakespeare Company: http://bit.ly/29ny049