Arbeit

Protest ignoriert

Bonner »General-Anzeiger« schließt Druckerei

Auf dem Bottlerplatz, vor der Geschäftsstelle des Bonner »General-
Anzeigers«, wehen rote ver.di-Fahnen. Über 100 Beschäftigte sind am Mittag des 5. März zu einer Kundgebung zusammengekommen und machen auf Transparenten deutlich, worum es ihnen geht: »Druckerei erhalten! Gegen Massenentlassung und Altersarmut!« Doch schon zehn Tage später endet in der Druckerei des »General-Anzeigers« die letzte Schicht.

Am 11. Februar hatte die Geschäftsführung des Blatts verkündet, die hauseigene Druckerei kurzfristig zu schließen und den Druckauftrag auszuschreiben. Das kostet die Jobs von rund 80 Beschäftigten – die Hälfte von ihnen Leiharbeiter. Ein Großteil der Stammbeschäftigten hat Jahrzehnte beim »General-Anzeiger« gearbeitet. Zum Beispiel der Drucker Max Zehnt, der seit 16 Jahren im Betrieb ist. »Da setzt einer den Rotstift an und lässt eine ganze Mannschaft über die Klinge springen, die viele Jahre gute Arbeit geleistet hat – ein Unding«, kritisiert der 52-Jährige. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen will er die Schließung nicht ohne Protest hinnehmen. 
Unterstützung bekommen sie von ver.di, dem DGB, der SPD und der Linkspartei, und nicht zuletzt von ihrer Leserschaft. Rund 3.800 Menschen unterzeichneten eine Petition für den Erhalt der Druckerei.

Verhandlungen abgebrochen

Doch die Geschäftsleitung setzte sich über alle Proteste hinweg: Seit dem 14. März wird die Zeitung im Druckhaus der »Rhein-Zeitung« in Koblenz gedruckt. Der Redaktionsschluss in Bonn musste deshalb vorverlegt werden, Transportkosten entstehen. Das nehmen die rheinischen Verlegerfamilien Neusser und Dumont (siehe unten) offenbar in Kauf.

Betriebsrat und ver.di versuchten, sich mit dem Arbeitgeber über einen Sozialplan und Interessenausgleich sowie die Gründung einer Transfergesellschaft zu einigen. Doch schon nach der zweiten Runde brach Geschäftsführer Thomas Regge die Verhandlungen ab und kündigte die einseitige kurzfristige Gründung einer Transfergesellschaft an. Nun geht der Fall vor die Einigungsstelle. »Wir haben den Kündigungsvorschlägen des Arbeitgebers widersprochen«, berichtet der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Hinrik von Normann. Die Betroffenen müssen nun wohl nach neuen beruflichen Perspektiven suchen. So auch der 59-jährige Vitale Giovanni, der 23 Jahre beim Bonner »General-Anzeiger« gearbeitet hat. »Wo soll ich denn in meinem Alter noch einmal neu starten?«

Mitarbeitergeführtes Unternehmen abgelehnt

Schon im November 2015 hatte der Betriebsrat des Bonner »General-Anzeigers« den Vorschlag unterbreitet, das Druckzentrum zukünftig als mitarbeitergeführtes Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben: Gründung einer GmbH, Überführung des Produktionskapitals (Maschinen und Anlagen) vom Mutterkonzern, Ermittlung des Kapitalbedarfs und Varianten der Finanzierung (durch das Unternehmen, ehemalige Beschäftigte und Banken). Doch der Vorschlag wurde von der geheim tagenden Eigentümerversammlung ebenso abgelehnt wie eine Machbarkeitsstudie, die ver.di finanzieren wollte.

Gute Gewinne

Der Bonner »General-Anzeiger« erscheint sechsmal wöchentlich mit einer Auflage von rund 72.000 Exemplaren. Der Verlag gehört zu 82 Prozent der H. Neusser Besitz- und Verwaltungs-GmbH und zu 18 Prozent der Kölner Mediengruppe M.DuMont-Schauberg GmbH und Co.KG. Die letzte veröffentlichte Bilanz des Verlages (2014) weist bei einem Umsatz von 47 Millionen Euro vor Abzug von Sonderbelastungen noch einen Rohgewinn vor Steuern von 4,6 Millionen Euro aus, dazu ein Bilanzkapital von fast 18 Millionen Euro. Wirtschaftliche Probleme sehen anders aus.

Protestaktion am 5. März in der Bonner Innenstadt
Fotos (2): Jürgen Seidel