Aus den Betrieben

Gut organisierte Beleg
schaften sind widerständiger

Wie der Betriebsrat bei Bischof+Klein in Konzell die Zahl 
der ver.di-Mitglieder fast verdreifachte

Marco Attenberger, 47, 
Betriebsratsvorsitzender

Christian Fuchs, 49, 
Stellvertreter

DRUCK+PAPIER: Wie ist es euch gelungen, so viele Mitglieder zu gewinnen?

Marco Attenberger: Mitgliederwerbung machen wir nicht während der Arbeitszeit, aber Fragen der Kollegen und Kolleginnen dürfen natürlich beantwortet werden. Wir hören uns an, was sie bedrückt.

Christian Fuchs: Wir beide sind jeden Tag 
für die Kollegen und Kolleginnen gut erreichbar. Außerdem gehen wir regelmäßig 
in die Halle. Unser Ziel ist, mindestens alle zwei Monate in jede Schicht reinzuschauen. Wir fragen jeden Einzelnen, wie es läuft und wo es Probleme gibt. Man muss da sein, zuhören und alles ernst nehmen. Und das über Jahre hinweg.

Wann kommt ihr auf die Gewerkschaft 
zu sprechen?

Attenberger: Wenn sich jemand zum Beispiel beklagt, dass der Urlaub nicht genehmigt wurde. Dann sind wir schnell beim Thema Schutz. Den einzigen Schutz, den abhängig Beschäftigte haben, ist die Gewerkschaft.

Fuchs: Man versichert alles – das Leben, das Haus, das Auto. Also sollte man auch seinen Arbeitsplatz und das Geld versichern, mit dem das alles bezahlt wird. Es geht darum, die Löhne und die Leistungen im Manteltarif zu erhalten und für vernünftige Arbeitsbedingungen zu sorgen, auch für die nächsten Generationen.

Habt ihr eine Schulung gemacht, wie man solche Gespräche führt?

Attenberger: Nein. Wir schauen, was funktioniert. Wir fragen: Wäre das für dich ein Gedanke, dich abzusichern und in die Gewerkschaft einzutreten? Wir lassen den Kollegen und Kolleginnen Zeit. Man braucht Geduld.

Welche Gegenargumente kommen?

Fuchs: Dass die Lohnerhöhungen jeder bekommt, auch ohne Mitglied zu sein. Ich frage dann zurück: Findest du das toll, dass die Kollegen für mehr Lohn streiken und du trägst nichts dazu bei? Außerdem wissen wir, wie schnell ein Unternehmen aus der Tarifbindung geht. Dann ist alles weg, was so verlässlich schien: 30 Tage Urlaub, Weihnachtsgeld etc. Über kurz oder lang kommt jeder einmal mit einem Problem zu uns.

Warum ist ein hoher Organisationsgrad wichtig?

Attenberger: Ein Betriebsrat kann nur so 
gut sein wie seine Belegschaft, die ihm 
den Rücken stärkt. Wenn der Vorstand über längere Arbeitszeiten reden möchte, wird 
er sich das zweimal überlegen, wenn er weiß, dass die Belegschaft hinter ihrem gewerkschaftlich organisierten Betriebsrat steht. Und wir bekommen die Unterstützung der Gewerkschaft.

Bischof+Klein

Das Familienunternehmen, das die Flächentarifverträge der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie anwendet, hat in Deutschland zwei Produktionsstandorte. Am Firmensitz in Lengerich arbeiten 1.350, im niederbayerischen Konzell 780 Beschäftigte. In Konzell werden Verpackungen für Lebensmittel und für das in Corona-Zeiten begehrte Toilettenpapier produziert und bedruckt.

»Drohungen des Unternehmers 
 ignorieren wir«

Bei den Betriebsratswahlen 2014 sind Marco Attenberger und Christian Fuchs mit dem Versprechen angetreten: »Wenn ihr uns wählt, entsorgen wir die unbezahlte Arbeitszeitverlängerung.« Damals wurden 36,5 Stunden gearbeitet, davon 1,5 Stunden unbezahlt – so, wie es die Öffnungsklausel im Tarifvertrag der Papierverarbeitung zulässt. »Leicht war es nicht. Aber auch keine Zauberei«, sagt der Betriebsratsvorsitzende Marco Attenberger. »Die Leute hatten schlichtweg die Schnauze voll davon, dass sie wegen angeblich wirtschaftlicher Not unbezahlte Arbeit leisten mussten. Gleichzeitig hat das Unternehmen über mehrere Jahre sehr gute Zahlen geschrieben.«

In den Verhandlungen legten sie der Geschäftsführung Schichtpläne und Personalbesetzungen basierend auf einer 35-Stunden-Woche vor. Daraus wurde deutlich, dass bei kürzeren Arbeitszeiten mehr Beschäftigte gebraucht werden. Die Verhandlungen führten sie gemeinsam mit dem Betriebsrat von Bischof+Klein in Lengerich. Als das Unternehmen die Betriebsvereinbarung um weitere zwei Jahre verlängern wollte, handelten die Betriebsräte im Gegenzug übertarifliche Lohnerhöhungen mit Nachwirkung aus, die nicht mit Lohnerhöhungen verrechnet werden dürfen. Im Dreischichtbetrieb macht das 100 Euro brutto mehr im Monat aus. Seit 2018 sind 13 Jahre unbezahlte Arbeitszeitverlängerung passé. Außerdem wurden ein paar Dutzend neue Beschäftigte eingestellt.

Demnächst geht es wieder um die Schichtpläne. Der Streitpunkt ist stets der gleiche. »Die Geschäftsführung will mit so wenig Personal wie möglich die Schichten besetzen. Wir wollen aber, dass Personal
reserven für Urlaub und Krankheit berücksichtigt werden«, sagt Christian Fuchs, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Bis
lang sei es noch immer gelungen, eine gute Personalbesetzung zu verhandeln.

Bei Verhandlungen brauche es Kampfbereitschaft, Ausdauer und Ruhe. Behaupte die Geschäftsleitung, dem Unternehmen gehe es wirtschaftlich schlecht, werden im Wirtschaftsausschuss Zahlen eingefordert. Im Zweifel zieht der Betriebsrat die Gewerkschaft hinzu. Gerüchten müsse man Zahlen entgegensetzen. »Drohungen des Unter
nehmers ignorieren wir«, sagt Marco Attenberger. nis/mib