Tarif

Weniger Zuschläge, keine Antrittsgebühr, 40-Stunden-Woche

Bundesverband Druck und Medien will Gewerkschaft außen vor lassen | Betriebsräte und Belegschaften wären erpressbar

Der Bundesverband Druck und Medien machte seine Vorstellungen für einen neuen Manteltarifvertrag konkret. Danach sind weiterhin deutliche Verschlechterungen geplant. Das Urlaubsgeld und die Jahresleistung sollen um rund 14 Prozent gekürzt werden. Die Antrittsgebühr – ein Zuschlag für Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Zeitungsbetrieben – soll für Neueingestellte wegfallen, für Altbeschäftigte über mehrere Jahre bis auf null gekürzt werden. Massiv kürzen will der Bundesverband Druck und Medien auch bei den Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit und Überstunden.

Außerdem will er die 35-Stunden-Woche kippen. Geht es nach dem Willen des Unternehmerverbandes, sollen Beschäftigte der Druckindustrie künftig drei Stunden länger arbeiten – unbezahlt. Das ist nicht alles: Die Arbeitszeit soll um weitere zwei (bezahlte) Stunden verlängert werden können. Erst bei der 40-Stunden-Woche muss auch ver.di zustimmen. Darüber hinaus soll der Samstag Regelarbeitstag werden.

ver.di wäre ausgeschlossen

Module fordert der Bundesverband Druck und Medien bei Arbeitszeit und Zuschlägen. ver.di soll möglichst außen vor bleiben. Wählt ein Betrieb ein Modul aus, etwa die gekürzten Zuschläge, reicht es aus, wenn der Betriebsrat zustimmt oder – in Betrieben ohne Betriebsrat – wenn mehr als die Hälfte der Belegschaft dafür ist. Für diese Kürzungen und Verschlechterungen verspricht der Bundesverband Druck und Medien eine Gegenleistung – die Höhe ist nicht beziffert.

Zerklüftete Tariflandschaft

Das Modulsystem, wie von den Unternehmerverbänden vorgeschlagen, würde die Tariflandschaft noch mehr zerklüften: Dann gäbe es Betriebe, die den Tarif vollständig anwendeten; andere nutzten die Öffnungsklauseln durch die Module; wieder andere wären komplett tariflos. Damit stiege der Druck auf die tarifgebundenen Betriebe noch stärker als jetzt.

Andreas Meißner, Betriebsratsmitglied beim Axel-Springer-Druckhaus Spandau, Mitglied des Bundesvorstands der Fachgruppe Verlage, Druck und Papier und der Tarif- und Verhandlungskommission:

»Für unsere Belegschaft ist die 35-Stunden-Woche immens wichtig. Die Arbeitszeit zu verlängern, kommt für Zeitungsdruckereien ohnehin nicht in Frage, weil die Auflagen sinken und Umfänge kleiner werden. Was wir bräuchten, wären kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn. Denn die Arbeitsverdichtung steigt und die Höchstbelastung liegt für Zeitungsdrucker in der Nacht.«  Foto: privat

Elke Lang, Betriebsratsvorsitzende, Heilbronner Stimme, Mitglied des Bundesvorstands der Fachgruppe Verlage, Druck und Papier und der Tarif- und Verhandlungskommission:

»Es ist nicht so schwer zu begreifen: Erst will der Bundesverband Druck und Medien Zuschläge kürzen, Einkommen reduzieren und die 5-Tage-Woche streichen. Und dann zum Ausgleich wieder was zahlen. Das wird die Verluste aber nicht wettmachen.«
Foto: privat

Werner Bareth, Betriebsratsvorsitzender bei Huhtamaki, Ronsberg, Mitglied des Bundesvorstands der Fachgruppe Verlage, Druck und Papier und der Tarif- und Verhandlungskommission:

»Mit den Modulen will der Bundesverband Druck und Medien Öffnungsklauseln durchsetzen. Damit blieben Gewerkschaften außen vor und wir Betriebsräte wären erpressbar. Weil wir nicht zum Streik aufrufen dürfen und nach dem Gesetz zu sogenannter vertrauensvoller Zusammenarbeit verpflichtet sind, hätten wir kaum Druckmittel, um uns gegen die Zumutungen der Unternehmer zu wehren. Statt solche Module einzuführen, finde ich es angesagt, Entlastungen für Schichtarbeitende im Tarifvertrag zu verankern, zum Beispiel mehr freie Zeit.« Foto: privat

»Mia san Tarif«

Das ist ein Novum: ver.di ist in der Friedenspflicht, darf also nicht zum Streik aufrufen. Die Gewerkschaft verhandelt dennoch mit dem Bundesverband Druck und Medien über den Manteltarifvertrag. Der endet am 30. April 2021. Ohne nachzuwirken. Auch das ist neu.

Ein Blick zurück: Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) hatte den Manteltarifvertrag für die rund 140.000 Beschäftigten in der Druckindustrie zum 31. September 2018 gekündigt. Sein Ziel war es, die Arbeitsbedingungen massiv zu verschlechtern. Nach einer harten, streikintensiven Zeit, in der vor allem in Bayern – unter dem Motto »Mia san Tarif« – viele Belegschaften die Arbeit niedergelegt hatten, ist der Manteltarifvertrag am 3. Mai 2019 wieder in Kraft gesetzt worden. Ohne Verschlechterungen und ohne Abstriche.

Ein Höhepunkt war die öffentliche Streikversammlung am 16. April 2019 mit rund 600 Beschäftigten auf dem Münchner Marienplatz. Das Zugeständnis von ver.di: Die Gewerkschaft hatte sich verpflichtet, mit dem Unternehmerverband während der Friedenspflicht zu verhandeln. Der Manteltarifvertrag ist auf zwei Jahre befristet und ist am 1. Mai 2021 nicht mehr gültig. Die Zeit bis dahin will ver.di für Aktivitäten in den Betrieben nutzen. Ziel ist, auch tariflose Betriebe wieder zum Streik aufzurufen, denn die sind – anders als es ihre Besitzer vermuten – nicht an die Friedenspflicht gebunden.

 

Betriebliche Altersvorsorge

Ergebnis in der Papierverarbeitung

Die Gespräche schleppten sich über zwei Jahre hin. Jetzt gibt es ein Ergebnis zur betrieblichen Altersvorsorge der Beschäftigten in der Papierverarbeitung. Danach müssen die Unternehmer zwölf Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich an die Pensionsfonds, die Pensionskasse oder Direktversicherung weiterleiten. Das gilt für Neu- und Altverträge rückwirkend seit 1. Januar 2020 bis Ende 2023. Ab 1. Januar 2024 greift die Regelung aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, wonach Unternehmer 15 Prozent des umgewandelten Entgelts abführen müssen. Darauf einigten sich ver.di und der Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (hpv) am 27. Januar 2020.

Bislang war es so: Hat ein Beschäftigter 100 Euro seines Lohns für die betriebliche Altersvorsorge abgezweigt, behielt der Unternehmer die Sozialversicherungsbeiträge, die dafür fällig gewesen wären, ein. Mit dem sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetz ist das nicht mehr möglich. Unternehmer müssen einen Zuschuss von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts dazugeben, in dem Fall 15 Euro.

Der Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge, den ver.di zum 31. Dezember 2019 gekündigt hatte, ist wieder in Kraft gesetzt. ver.di fordert weiterhin einen zusätzlichen Beitrag der Unternehmer zur betrieblichen Altersvorsorge von 100 Euro pro Beschäftigten (für Azubis 50 Euro).

Keine Einigung in der Druckindustrie

Der Unternehmerverband der Druckindustrie verweigert eine Regelung wie in der Papierverarbeitung. Der Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge ist auch in der Druckindustrie gekündigt.

Weitere Verhandlungstermine

In der Druckindustrie wird am 17. Februar und 27. April wieder verhandelt. Weitere Gespräche zum Manteltarifvertrag mit dem Unternehmerverband der Papierverarbeitung sind für den 5. Mai festgelegt.

Mehr Geld in der Papierverarbeitung

Ab 1. März 2020 gibt es für die Beschäftigten in der Papierverarbeitung 2,7 Prozent mehr Geld. Damit ist die zweite und letzte Stufe der Tariferhöhung erreicht. Die Lohn- und Gehaltstarifverträge laufen Ende Januar 2021 aus.

Abschluss in NRW

Die Löhne und Gehälter in Buch- und Zeitschriftenverlagen in Nordrhein-Westfalen steigen zum 1. April 2020 um zwei Prozent. Ab 1. April 2021 und 2022 sind weitere Erhöhungen um jeweils 1,8 Prozent vorgesehen. Die Ausbildungsvergütungen steigen 2020, 2021 und 2022 jeweils zum 1. April um 20 Euro.

Die Streik-Shirts könnten wieder zum Einsatz kommen. Foto: Werner Bachmeier