Aus den Betrieben

Ausgedient

Die apm-Druckerei in Darmstadt ist seit Jahresanfang Geschichte | 
Beschäftigte sind davon überzeugt, dass sie ohne Not in die Arbeits
losigkeit geschickt wurden

Die Belegschaft hat das Aus kalt erwischt. Obwohl sie wussten, dass der Betrieb seit Juli im Insolvenzprozess steckt, hatten die Beschäftigten noch Hoffnung – dass sich doch ein Interessent findet, der die Druckerei weiterbetreibt, und sie ihre Arbeitsplätze behalten. Die wichtigsten Stammkunden waren die beiden großen Gewerkschaften: ver.di und die IG Metall, für die bis in die Weihnachtstage hinein noch 2,3 Millionen Exemplare der Metallzeitung gedruckt wurden.

Rotz und Wasser geheult

Das Ende der Druckerei kam kurz nach Weihnachten. Am 27. Dezember rief die Insolvenzverwalterin um 15:30 Uhr die Belegschaft zusammen und erklärte, dass auch der letzte Interessent abgesprungen sei. Die Spätschicht durfte nicht mehr arbeiten. Laufende Druckprojekte blieben einfach liegen. Am nächsten Tag kamen einige apm-Leute auf ein Abschiedsbier zusammen. Einer von ihnen war Walter Müller, der seinen richtigen Namen nicht nennen will: »Da hingen sich die Leute in den Armen und heulten Rotz und Wasser.«

Noch wenige Stunden zuvor, am Morgen des 27. Dezember und vor der Betriebsschließung, war nach Aussage der apm-Leute ein Fremder erschienen, der extra aus Österreich angereist war, um die Maschinen anzuschauen. Er muss vorab vom Ende der Druckerei informiert worden sein, mutmaßen die Beschäftigten. »Voß hatte also niemals vor, das Unternehmen zu verkaufen. Er wollte und will es ausschlachten. Unsere Existenzen sind ihm egal«, sagt Walter Müller wütend.

Die Schließung der apm-Druckerei sei bitter für die Kollegen und Kolleginnen, sagt Andreas Fröhlich von ver.di. Ihm selbst blutet das Herz, hat er doch früher selbst beim Vorgänger, der Union-Druckerei, Drucker gelernt und kennt noch einige Kollegen von apm. ver.di wird nach einer Übergangslösung die Druckaufträge öffentlich ausschreiben. »Ich fürchte allerdings, dass wir es noch erleben werden, wie es ist, wenn man keine vertraute, engagierte und den Gewerkschaften zugewandte Druckerei und Belegschaft mehr hat.«

Manfred Moos von ver.di Hessen ist davon überzeugt, dass die Schließung der Druckerei vermeidbar gewesen wäre, »wenn die Anteilseigner Torsten Voß und Andrew Seidl ein wirkliches Interesse am Erhalt des Standorts und der Arbeitsplätze gehabt hätten.« Seit Monaten habe man den Eindruck gehabt, dass die Investorensuche nur halbherzig und dilettantisch betrieben wurde. Der letzte Interessent habe abgesagt, weil die Preisvorstellungen von Voß und Seidl womöglich zu hoch waren.

Wie eine zweite Familie

Man hätte schon viel früher auf den Putz hauen müssen, damit es nicht so weit kommt – das sagen apm-Beschäftigte immer wieder. Und Voß und Seidl zur Rechenschaft ziehen müssen. Drei Monate lang zahlte die Agentur für Arbeit den rund 130 Beschäftigten Insolvenzgeld – so viel wie das Nettoentgelt – als Ersatz für den ausstehenden Lohn. In der Zeit verdiente die Belegschaft weiter Geld für die Firma. Wo ist das hingegangen? In der Insolvenzmasse verschwunden?

Man habe ja geahnt, dass der Betrieb plattgemacht werden sollte. »Wir haben das nur nicht glauben wollen.« Das Betriebsklima war gut, viele sahen die Kollegen und Kolleginnen als zweite Familie an. Bei apm wurde noch Tariflohn gezahlt, wenngleich es seit Jahren kein Urlaubsgeld und keine Jahresleistung mehr gegeben habe. Immer wieder habe die Belegschaft die Arbeitszeit verkürzt und damit auf Lohn verzichtet. 
So habe man den Eigentümern etwa sieben Millionen Euro erspart. Das Geld ist weg. Und es ist nicht einmal sicher, ob der Sozialplan – 2,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr – wirklich ausgezahlt werden kann.

Zahllose Bewerbungen

Und nun? Ein Dutzend Beschäftigter arbeitet noch für wenige Wochen in den leeren Bürofluren und Drucksälen. Alle haben sich bei der Arbeitsagentur gemeldet. Viele kennen die Prozedur schon – sie waren bereits Ende 2012 bei der Insolvenz der Neu-Isenburger Druckerei der Frankfurter Rundschau dabei. »Ich habe in den letzten sechs Monaten 63 Bewerbungen geschrieben«, sagt der Endvierziger Walter Müller. »Bei mir waren es sogar 73«, erzählt Michael Wagner, ein paar Jahre jünger. »Bei einer Firma bin ich noch im Rennen. Aber mit 
20 Prozent weniger Gehalt.«