Arbeit

Wer nicht 
spurt …

Mal wird er als Regionalzeitungsfürst bezeichnet, mal als Großverleger. Fakt ist: Dirk Ippen, 75, besitzt etliche Zeitungen, viele Anzeigenblätter und ein paar Druckereien. Mit seiner Verlagsgruppe rangiert er auf dem Gesamtmarkt der Zeitungen auf Platz 6, zwischen Madsack und der Augsburger Allgemeinen. Doch was in Online-Nachschlagewerken, Verlegerporträts und Ranglisten nicht steht, interessiert DRUCK+PAPIER: Wie sind die Arbeitsbedingungen in Ippen-Betrieben? Was treibt die Beschäftigten um?

Stellt man sich Vorgänge gern plastisch vor, sollte man an eine Landkarte denken. Die war einst übersät mit roten Stecknadeln. Überall dort, wo in einem Ippen-Betrieb der Tarifvertrag angewandt wurde, steckte eine. Doch jetzt sind kaum mehr welche übrig. Eine Stecknadel nach der anderen verschwindet und eine Tarifbindung nach der anderen kippt. Auf dem Weg dahin spielen Ippens Geschäftsführer Standort gegen Standort aus, Belegschaft gegen Belegschaft. Und wer nicht spurt, spürt Druck.

So wie die fast drei Dutzend Beschäftigten der Satztechnik beim Kreisboten-Verlag Mühlfellner in Weilheim. Geschäftsführer Daniel Schöningh, der Neffe von Ippen, will die Satztechnik des Anzeigenblatts bis Ende August dichtmachen. Arbeitsplätze bietet er stattdessen in Penzberg an: ab dem zweiten Jahr mit einer 40-Stunden-Woche, davon fünf Stunden unbezahlt, und sofort ohne Tarifvertrag. Wer das nicht akzeptiert, wird entlassen. Über Regelungen für den Betriebsübergang nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch will Ippens Neffe nicht mit dem Betriebsrat verhandeln. Der würde den Beschäftigten in der neuen Firma ihre alten Rechte sichern. Aber das lehnt der Arbeitgeber ab.

Ippen Betriebe in Deutschland

Die Strategie im Hause Ippen ist stets die gleiche: Den Beschäftigten wird Angst gemacht, dass sie ihren Job ver
lieren. Daraufhin 
unterschreiben sie Einzelarbeitsverträge zu schlechteren Bedingungen, der Arbeitgeber tritt aus dem Unternehmer
verband aus und versucht, die Tarifbindung loszuwerden.

Zurück ins Jahr 2014. Die Druckerei in Weilheim ist dichtgemacht, eine neue, tariflose Ippen-Druckerei in Penzberg aufgemacht worden. Jetzt besitzt das Ippen-Geflecht drei Druckereien auf kurzer Distanz: die beiden tarifgebundenen in Wolfratshausen und in der Dessauerstraße in München sowie die tariflose in Penzberg. Zwischen denen werden nun die Aufträge hin- und hergeschoben. Die Folge: In der Dessauerstraße wird die Arbeit knapp, zehn Prozent der Belegschaft erhalten die Kündigung. Zwischenzeitlich wechselt das Druckhaus beim Arbeitgeberverband in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung und legt den Beschäftigten neue Arbeitsverträge vor. Auch hier mit einer 40-Stunden-Woche. Sollten sie nicht unterschreiben, würde das Ippen-Boulevardblatt tz künftig woanders gedruckt. Aus Angst, bald ohne Arbeit dazustehen, unterschreiben die meisten. Weg ist der Tarifvertrag.

Daraufhin werden die Aufträge wieder zurück in die Dessauerstraße geholt und die Druckerei in Wolfratshausen geschlossen. Kurzum: Die einst tarifgebundenen Druckereien Weilheim und Wolfratshausen gibt es nicht mehr, die in Penzberg und der Dessauerstraße sind tariflos. Nicht anders hat der Ippen-Geschäftsführer beim Zeitungsdruck Dierichs in Kassel agiert. Die Botschaft des dortigen Geschäftsführers an den Betriebsrat: Ist die Belegschaft nicht bereit, künftig fünf Stunden gratis zu arbeiten, werden Druckaufträge abgezogen. Tut sie es, wird in eine neue Versandanlage investiert. »Auf lange Sicht haben die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit dem Verzicht auf bezahlte Arbeit die Versandanlage selbst finanziert«, erklärt eine Gewerkschaftssekretärin. Immer wieder berichten Betriebsräte davon, dass sie von den Geschäftsführern unter Druck gesetzt werden. Und immer mal wieder wird ein Betriebsrat für Wohlverhalten belohnt.

Monatlich bis zu 800 Euro weniger

Anders beim Oberbayerischen Volksblatt in Rosenheim. Von der Redaktion über den Verlag bis zur Druckerei sind alle unter einem Dach und tarifgebunden. Doch obwohl Ippen über ein verschachteltes Konstrukt nur eine Minderheitsbeteiligung hält, übt er auch hier Druck aus. Zwei Druckaufträge wurden abgezogen, die nun in Ippen-Druckerei erledigt werden. Jetzt fehlte auch in Rosenheim Arbeit. Doch statt Beschäftigte zu entlassen, vereinbarte der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung auf Grundlage des Tarifvertrags, die Arbeitszeit auf 32,5 Wochenstunden für alle im Druckzentrum zu verkürzen. Der Betriebsrat hofft, dass die bis Ende August befristete Maßnahme nicht verlängert werden muss.

Ein Blick in die Arbeitsverträge genügt, um zu wissen: Unter Tarif zu beschäftigen, lohnt sich für Ippen. Allein in Penzberg verdient jeder Drucker jeden Monat bis zu 800 Euro netto weniger, nicht eingerechnet sind die fünf zusätz­lichen, unbezahlten Arbeitsstunden pro Woche. »Im Schnitt muss bei uns jeder auf rund 15 Prozent Gehalt verzichten«, sagt Betriebsratsvorsitzender Axel Sonntag, seitdem die Kreiszeitung Syke die Tarifverträge im Druck, im Verlag und in der Redaktion nicht mehr anwendet.

Die 35-Stunden-Woche, Maschinenbesetzung und andere Tarifregelungen hält der Verlagsjurist Harald Brenner für nicht mehr zeitgemäß. »Wir sind der Überzeugung, dass wir auch ohne Anwendung des Flächentarifvertrags vernünftige Arbeitsbedingungen mit den Interessenvertretungen vereinbaren können.« Anders gesagt: ver.di soll draußen bleiben.

Wie die Arbeitsbedingungen aussehen, erzählen Beschäftigte aus der Penzberger Druckerei. Weil sie um ihren Job fürchten, wenn sie sich öffentlich negativ äußern, möchten sie ihren Namen nicht nennen. Helfer gibt es keine mehr, die Fachkräfte in der Rotation machen jeden Job – und das im Laufschritt. »Nachts renne ich nicht selten 600 Treppenstufen hoch und runter«, erzählt einer. »Mir tun oft die Knochen weh.« Das Personal ist knapp. »Zwei Drucker für drei Türme, einer im Rollenkeller, das ist normal«, sagt ein anderer. Und weit weg von der tariflichen Maschinenbesetzung. »Man schafft mehr und verdient weniger.«

»Sein Ziel ist es, 
Platzhirsch zu werden«


Interview mit Horst Röper

DRUCK+PAPIER: Das Geflecht von Ippens Beteiligungen ist undurchschaubar. Warum ist das so?

Röper: Undurchschaubar ist es nicht, aber schwer darzustellen. Die Minderheits-, Mehrheits- und Überkreuzbeteiligungen sind zum Teil auch dem Kartellrecht geschuldet. Dirk Ippen hat kreuz und quer kleine, oft unbedeutende und sanierungsbedürftige Zeitungen gekauft und sie mal an den einen Verlag, mal an einen anderen angegliedert.

So ganz kreuz und quer ist das nicht. Ganz Nordhessen ist zeitungstechnisch in der Hand von Ippen …

Richtig, das ist auch etwa im Süden des Märkischen Kreises nach etlichen Aufkäufen so ähnlich. Sein Ziel ist es, Platzhirsch zu werden. Ippen hat auf zwei Dinge Wert gelegt: Die Zeitungen, die er kaufte, sind Erstzeitungen. Wer sie richtig führt, verdient Geld damit. Und: Er ist die Nummer eins auf dem Werbemarkt. Konkurrenz spielt er an die Wand und an Absprachen zu Verbreitungsgebieten, wie sie unter Verlegern üblich sind, hält er sich nicht. Ippen ist ein Mann des Wettbewerbs.

Was unterscheidet ihn von anderen 
Verlegern?

Er kennt den Zeitungsmarkt und die Eigentümerstrukturen aus dem Effeff. Und er stampft Zeitungen nicht ein. Das hat er nur einmal mit einer kleinen Zeitung gemacht, was er später als ›Sündenfall‹ bezeichnete. Den Kahlschlag, den andere Verleger während Krisenzeiten in Verlagen angerichtet haben, gab es bei ihm auch nicht.


Ippen ist 75, wie wird es weitergehen?


Er wird vermutlich nicht mehr in fremde Regionen vorstoßen und Zeitungen nur noch dort kaufen, wo sie in sein Imperium passen, wie bei der Waldeckischen Landeszeitung, die Madsack verkaufte.

 

Die Person Dirk Ippen

Die ersten Schritte als Verleger machte Dirk Ippen beim Westfälischen Anzeiger in Hamm. Dort stieg er mit dem Geld seines Vaters als Minderheitsgesellschafter ein. Zunächst kaufte Ippen kleine Lokalzeitungen, weil ihm das Geld für größere fehlte, wie er in einem Interview sagte.

Heute gehören ihm große und kleine Tageszeitungen, das Boulevardblatt tz in München, viele Anzeigenblätter und deutschsprachige Zeitungen in Spanien. Außerdem hält er Anteile an Internetportalen, an zwei Telefonbuchverlagen sowie an privaten Lokalsendern.

Auch wenn Angaben zu seinem Vermögen nicht nachprüfbar sind: 2013 stand Dirk Ippen noch mit 550 Millionen Euro in der Liste der 500 reichsten Deutschen. Ein Jahr darauf waren es nach der Erhebung des Manager Magazins weniger als halb so viel. Er habe die Hälfte verschenkt, erklärte Verleger Dirk Ippen dem Magazin stern.

Nutznießer sind der Verlagsjurist Harald Brenner und Ippens Neffe Daniel Schöningh, der zahlreiche Ippen-Firmen leitet. Noch hält Ippen in seiner Verlagsgruppe 51 Prozent und hat das Sagen. Der promovierte Jurist gibt gern Gedichtbände heraus, etwa »Jeder Atemzug für dich«.