Aus den Betrieben

Zum Abwickeln angeheuert?

Wo Joachim Kühn als Manager in der Druckindustrie auftaucht, folgt oft die Insolvenz – wie zuletzt bei Ebner & Spiegel in Ulm

Die Serie der Insolvenzen beginnt 2011. Im Tiefdruckkonzern Schlott in Freudenstadt ist Joachim Kühn ein Jahr zuvor in den Vorstand aufgestiegen – zuständig für Produktion und Technik. Zum Konzern gehört auch die Tiefdruckerei Broschek in Hamburg. Kai Schliemann, damals Betriebsratsvorsitzender, erinnert sich: »Kühn hat Maschinen stillgelegt, lukrative Aufträge an andere Standorte vergeben und Teile der Belegschaft entlassen.« Sein Eindruck: Der Konzern habe Kühn zum Abwickeln geschickt. Ein Jahr später schließt die Tiefdruckerei Broschek.

Kühn hat dazu eine andere Auffassung: Wirtschaftskrise und Umsatzrückgänge hätten die Schlott-Druckereien hart getroffen. Das Sanierungskonzept, an dem er mitgearbeitet habe, hätten die Kapitaleigner abgelehnt.

DRUCK+PAPIER hat dem Manager eine Liste mit Fragen geschickt – damit er Stellung nehmen kann. Wie erklärt er die Serie insolventer Druckereien, die von ihm geführt wurden? Doch nicht Kühn antwortet. Stattdessen schickt die Anwaltskanzlei des Buchdruckunternehmens CPI 14 Seiten. Dort ist Kühn derzeit Chief Operating Officer, also im Vorstand zuständig dafür, die Druckereien der deutschen CPI-Gruppe technisch zu steuern.

Kosten senken um jeden Preis

Zurück zur Serie: Im Jahr 2012 holt ihn der niederländische Circle-Konzern. Er führt die Druckerei Oberndorfer bei Salzburg sowie zwei Druckereien in Schwaben. 2019 meldet Oberndorfer Insolvenz an, die schwäbischen Betriebe werden verkauft (und sind ein Jahr später insolvent).

Der Anwalt schreibt dazu: Der Circle-Konzern habe einen sehr ambitionierten Expansionskurs eingeschlagen. Den habe Kühn kritisch gesehen. Deshalb habe er schließlich die Geschäftsführung niedergelegt und sei aus dem Unternehmen ausgetreten. Bis zur Insolvenz von Oberndorfer dauerte es danach nur noch wenige Wochen.

Wenige Monate später heuert er bei der Druckerei Koesel im Allgäu an. Kühn soll die Fusion mit der Druckerei Eberl als technischer Geschäftsführer begleiten. Er bleibt von 2019 bis 2021. Die Insolvenz von Eberl & Koesel folgt ein dreiviertel Jahr später. Der damalige Betriebsratsvorsitzende Daniele Lupo erinnert sich: Auch nach der Zusammenlegung der beiden Druckereien operierte jeder Betrieb mit seiner eigenen Firmensoftware. »Es herrschte totale Konfusion. Das führte zu Produktionsverzögerungen, durch die wir Aufträge verloren haben.« Kühn habe voll auf eine »Low-Budget-Strategie« gesetzt. Kostensenkung um jeden Preis. Stefan Milisterfer von ver.di in Kempten kommentiert das so: »Ich zweifle daran, ob Eberl & Koesel wirklich zum Erfolg geführt werden sollte.«

Der CPI-Anwalt hat eine andere Version: Corona, Umsatzeinbrüche, Verluste um Verluste. Kühn habe das Zusammengehen der beiden Betriebe kritisch gesehen: hier die Akzidenz von Eberl, dort das Buchgeschäft von Koesel. Doch seine Bedenken seien abgetan worden, sein Restrukturierungskonzept habe der geschäftsführende Gesellschafter abgelehnt. Daraufhin verließ Kühn das Unternehmen. Jeglichen Zusammenhang zwischen den Softwareproblemen und der Insolvenz bestreitet er.

Ganz ohne innovative Ideen

Kühns vorläufig letzte Station ist CPI. Dazu gehört die Buchdruckerei Ebner & Spiegel in Ulm mit ihrer Tochter CPI Ulmer Buch-Service. CPI schloss beide Betriebe in diesem Sommer – Insolvenz. »Durch Ausdünnen der Personaldecke belastet Kühn die betrieblichen Strukturen und Abläufe so lange, bis sie zusammenbrechen«, sagt Betriebsratsvorsitzender Christian Clement. »Verhandeln ist mit ihm nicht möglich.« Auf sinkende Umsätze reagiere Kühn, der seit 2023 im Vorstand der deutschen CPI-Gruppe ist, mit Stellenabbau, mehr falle ihm nicht ein. »Das ist die Expertise, die er mitbringt – innovative Ideen habe ich von ihm nicht gehört.«

Der Anwalt von CPI schreibt dazu: Die Insolvenz lag nicht an Managementfehlern, sondern sei »allein Folge einer von Herrn Kühn nicht zu vertretenden Marktentwicklung«.

Kurzum: In sämtlichen Fällen verweisen Kühn und der Anwalt auf äußere Umstände oder andere Verantwortliche. Alle (ehemaligen) Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter, mit denen DRUCK+PAPIER gesprochen hat, werfen Kühn vor, unnahbar, arrogant, beratungsresistent zu sein – und ein Gegner der Mitbestimmung. Der Anwalt bestreitet auch das: Kühn habe die Rechte von Betriebsräten stets eingehalten.

Mehr noch: Noch bevor DRUCK+PAPIER die Fragen schriftlich stellt, erreicht die Redaktion ein erstes Schreiben des Anwalts mit rechtlichen Ausführungen und Belehrungen. Die Redaktion versteht dies als Versuch der Einschüchterung und Unterbindung öffentlicher Kritik.

Hans Dampf hatte alle gewarnt. Als 2019 bekannt wird, dass die Buchdruckerei Koesel Joachim Kühn zu ihrem neuen Geschäftsführer ernannt hat, reagiert der Leser eines Online-Portals mit einer düsteren Prophezeiung. »Sehr schade, dass hier anscheinend nicht gründlich genug die Vita studiert wurde«, kommentiert der Unbekannte mit dem Pseudonym »Hans Dampf«. »Ich wünsche auf jeden Fall der Firma Koesel alles Gute. Sie wird es brauchen.«