Ausbildung

Künstliche Intelligenz krempelt Berufe um

Wie künftige Berufsschullehrer*innen der Druck- und Medientechnik für digitale Medien und KI fit gemacht werden

Die Ingenieur*innen Dr. Sandra Rosalen, gelernte Offsetdruckerin, und Dr. Daniel Bohn, gelernter Mediengestalter, sind wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an der Fakultät für Elektrotechnik, Informationstechnik und Medientechnik | Druck- und Medientechnologie der Bergischen Universität Wuppertal.

Ob angehende Mediengestalter*innen und Medientechnolog*innen Druck oder Druckverarbeitung im Berufsschulunterricht KI-Tools kennenlernen, hängt meist vom Einsatz der Lehrkraft ab. Denn künstliche Intelligenz (KI) ist in nordrhein- westfälischen Berufsschullehrplänen bisher nicht enthalten. Das ändert sich nun – zumindest in diesem Bundesland. Im Projekt »KI für Lehrkräftebildung DMT« (Druck- und Medientechnologie) entwickelt die Universität Wuppertal mit Berufsschulen neue Lerninhalte zu digitalen Medien und KI.

Sie fordern, KI sollte wichtiger werden – in der Lehrkräfteausbildung, der Berufsausbildung und in Unternehmen. Aber gibt es nicht schon überall Schlagworte wie »KI im Digitaldruck« oder »KI-gesteuerte Druckereien«?

Sandra Rosalen: Man muss unterscheiden: Ist es wirklich KI oder Automatisierung?

Die Automatisierung folgt festen, nicht dynamischen Regeln. Hinter der Automatisierung steckt kein komplexes neuronales Netz oder Lernen. Das System oder die Geräte führen nur ihre Programmierung aus, ohne besser zu werden.

Wie gehen Sie im Projekt vor?

Daniel Bohn: Wir erarbeiten Vorlesungsinhalte. Wir halten mehrere, jeweils vierstündige Workshops für Lehrer*innen aus Berufsschulen zu Themen wie Einführung in die künstliche Intelligenz. Die Lehrkräfte geben uns Feedback zur Verständlichkeit. Danach erstellen wir die endgültigen Vorlesungen für künftige Berufsschullehrer*innen.

Rosalen: Drei von sechs Workshops sind fertig. Wir behandeln die Grundlagen von KI in der Medienbranche, automatisierte Content-Erstellung, praktische KI-Anwendungen in der Druck- und Medienindustrie und ethische Fragen.

Erklären Sie auch, wie einzelne KI-Tools funktionieren?

Rosalen: Nur als Beispiel. Diese Tools veralten viel zu schnell. Was wir heute lehren, wird erst in drei bis fünf Jahren in den Berufsschulen unterrichtet. Stattdessen vermitteln wir Grundwissen: wie neuronale Netzwerke und Deep Learning funktionieren, was Algorithmen sind und welche Daten KI-Anwendungen nutzen.

Warum brauchen angehende Berufsschullehrer*innen in der Druck- und Medientechnik KI-Kompetenzen?

Bohn: Das ist für alle Berufe wichtig. Künstliche Intelligenz wird größere Aus- wirkungen haben als die industrielle Revolution.

Rosalen: Das sehe ich ähnlich. Künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitswelt grundlegend verändern.

Bohn: Unternehmen, die sich heute nicht mit KI beschäftigen, werden morgen nicht mehr existieren – genau wie früher beim Internet.

Wie verändern sich die Berufe in der Druck- und Medienindustrie?

Bohn: Die Kernaufgaben bleiben: Drucker*innen drucken, Mediengestalter*innen gestalten. Überall, wo körperliche Arbeit nötig ist und jemand eingreifen muss, um eine Maschine wieder zum Laufen zu bringen, bleibt der Mensch unersetzlich. Allerdings werden Mediengestalter*innen weniger mit Maus und Stift arbeiten. Sie werden hauptsächlich prompten, also Anweisungen an KI-Systeme geben, um etwa Bilder zu erstellen. Und wer weiß, in ein paar Jahren prompten wir vielleicht alle nicht mehr. Mediengestalter*innen werden mehr IT-Wissen benötigen und verstehen müssen, wie Daten richtig aufbereitet werden.

Rosalen: Auch die Arbeitsabläufe ändern sich. Beispiel Verpackungsdesign: Statt mehrere Entwürfe manuell zu erstellen, nutzen die Mediengestalter*innen KI für Mockups, also erste Modelle. Das spart enorm Zeit. In Druckereien werden KI-Systeme die Planung steuern und die Qualitätssicherung übernehmen. Trotzdem wird es keine Druckmaschinen ohne Drucker*innen geben. Die Kosten sind zu hoch. Das Risiko für Ausschuss, Materialverschwendung und Lieferverzögerung wäre besonders für kleine und mittlere Unternehmen zu groß.

Kein Mensch weiß, wie wir in zehn Jahren arbeiten werden. Was hat sich an der Hochschule bereits verändert?

Rosalen: Früher brachten viele Studierende bereits eine Berufsausbildung und Berufserfahrung mit. Heute kommen 95 Prozent direkt von der Schule. Der Praxisbezug fehlt und wir müssen bei null anfangen.

Wie sollte der Berufsschulunterricht für Druck- und Medienberufe in fünf Jahren aussehen?

Rosalen: Ich wünsche mir mehr fächerübergreifende Kurse, die alle Produktionsbereiche integrieren. Schüler*innen sollten lernen, Probleme in der Produktion und im Management zu lösen. Prozess- und Produktmanagement werden künftig wichtiger. KI kann dabei helfen, aber endgültige Entscheidungen bleiben beim Menschen und erfordern tiefes Verständnis für Unternehmensprozesse.

Bohn: KI-Kompetenzen sollten fest im Lehrplan stehen und praxisnah vermittelt werden. Auszubildende sollten bereits im Berufsschulunterricht lernen, mit neuronalen Netzen zu arbeiten und durch Anweisungen an KI kreative Medienprodukte zu erstellen. Der Unterricht sollte eng mit Unternehmen verzahnt sein, um neue Technologien und reale Anwendungsfälle einzubeziehen.

Berufsschul-Digi-Teams

In den Berufsschul-Digi-Teams arbeiten Hochschulen gemeinsam mit Fachleuten aus Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben. Das Ziel ist, Lehr- und Lernmodule zu entwickeln, die in Lehrpläne aufgenommen werden sollen. Diese Module sollen angehende Berufsschullehrkräfte darauf vorbereiten, digitale Medien und Technologien wie künstliche Intelligenz im Unterricht einzusetzen.

Finanziert wird das Programm vom Stifterverband und dem Mercedes-Benz Fonds. Bis 2027 werden jährlich fünf Projekte mit je 50.000 Euro unterstützt. Eines der geförderten Projekte ist »KI für Lehrkräftebildung DMT« (Druck- Medientechnologie) der Bergischen Universität Wuppertal. An diesem Projekt sind fünf Berufsschulen beteiligt: das Fritz-Henßler-Berufskolleg in Dortmund, die Berufskollegs für Technik in Ahaus und Kartäuserwall in Köln, das Berufskolleg Ost der Stadt Essen und das BSZ Alois Senefelder in München.