Schusterjunge

Weise Männer

Manche Leute wollen ungern an ihr Geschwätz von gestern erinnert werden. Wir machen das jetzt trotzdem. Was das für Schlagzeilen im Jahr 2014 waren! Offensichtlich drohte dem Land eine Katastrophe. Die damalige große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plane ein »Programm zur Vernichtung von Arbeitsplätzen«. Gefährdet seien 900.000 Jobs.

Wirtschaftsvertreter, Arbeitgeberverbände und FDPler (lauter Männer) prophezeiten »verheerende Folgen« wie Arbeitslosigkeit, Schwarzarbeit und die schiere Ausweglosigkeit für Geringverdienende. Besonders schlimm, orakelten die weisen Männer, werde es Ostdeutschland treffen.

Nun – wir wissen, wie diese angebliche Katastrophe ausging: 2015 wurde in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn eingeführt – mit 8,50 Euro! Weniger durften abhängig Beschäftigte nicht verdienen. (Außer den Zeitungszusteller*innen – Ergebnis eines rücksichtslosen Lobbyings der Zeitungsverleger*innen.) Allein vom Mindestlohn-Sprung auf zwölf Euro in 2022 profitierten 6,64 Millionen Menschen – die meisten in Ostdeutschland.

Bis Ende Juni entscheidet die Mindestlohnkommission, wie hoch der Mindestlohn steigen soll. Die Rede ist von 15 Euro. Wollen wir wetten, was die weisen Männer orakeln?