Aktiv statt braun
Die AfD schürt Hass und Ohnmachtsgefühle. Wer im Betrieb für seine Rechte eintritt, erlebt oft das Gegenteil | Solidarität als Gegengift |
Es ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen: AfD wählen macht unglücklich. Wer sich für die Rechtsaußenpartei entscheidet, schaut unzufriedener auf sein Leben und seine finanzielle Situation als die Wähler*innen anderer Parteien – auch wenn es dafür nicht unbedingt einen Anlass gibt. Wendet man sich von der AfD ab, steigt auch das Wohlbefinden wieder. Das zeigte im Sommer eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, für die mehr als 5.000 Menschen befragt wurden.
Der bemerkenswerte Befund dürfte seine Ursache in dem Trommelfeuer von Negativbotschaften haben, mit dem die Rechtsextremen ihre Gefolgschaft überziehen. Ohne Unterlass malt die AfD den angeblichen Untergang Deutschlands an die Wand. Sie will entmutigen und jede Zuversicht ersticken, um politische Unzufriedenheit in Hass auf die etablierten Parteien und Verachtung der Demokratie umschlagen zu lassen. Die Wirkung ist zunehmend auch in den Betrieben der Druck- und Verpackungsindustrie zu spüren.
Peter Schmid war rund 30 Jahre lang Betriebsrat bei Huhtamaki im allgäuischen Ronsberg, ehe er kürzlich in die passive Phase der Altersteilzeit wechselte. »Seit Corona habe ich im Betrieb immer öfter das Gejammer gehört, dass Politiker nur Deppen seien und dass man niemanden mehr wählen könne außer der AfD«, erzählt er. Selbst abwegigste Negativpropaganda werde geglaubt. »Ich sage dann: Habt ihr einen Vogel? Euch geht’s doch gut!« Doch mit Gegenargumenten durchzudringen, sei schwer. »Viele Leute sind dafür schon zu versteift.«
Umso wichtiger ist, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Und vor allem: zu zeigen, dass es möglich ist, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Dass es sich lohnt, aktiv zu werden, statt sich in Ohnmachtsgefühlen und rechten Ressentiments einzurichten. »Wir versuchen, das bessere Angebot zu sein«, sagt Pascal Attenkofer, ver.di-Sekretär für Niederbayern und die Oberpfalz, wo die AfD überdurchschnittlich viel Zustimmung bekommt. »Die AfD schafft Zusammengehörigkeit über negative Gefühle. Wir setzen dem ein positives Angebot entgegen: Solidarität.«
In der bayerischen Druckindustrie sind wie in der Papierverarbeitung die Voraussetzungen dafür besonders gut. Die Belegschaften haben sich in Tarifauseinandersetzungen immer wieder als schlagkräftig erwiesen. Die Branchenseminare, die ver.di für Schulung und Vernetzung von Betriebsratsmitgliedern anbietet, sind beliebt – und auch eine Chance, der Anfälligkeit für rechtes Gedankengut entgegenzuwirken. Nicht durch Belehrungen, sondern durch zwischenmenschlichen Austausch. »Wir werden die AfD nicht von heute auf morgen aus den Köpfen der Kolleg*innen rauskriegen«, sagt Attenkofer. »Aber ich habe die Hoffnung, dass wir zumindest manche dazu bewegen, sich an der Wahlurne anders zu entscheiden.« Was der Gewerkschaftssekretär als Learning by Doing beschreibt, lässt sich derzeit einige Hundert Kilometer weiter nordwestlich in Köln praktisch erleben. Beim Bundesanzeiger-Verlag, wo bereits seit Monaten für einen Tarifvertrag gestreikt wird (siehe hier), engagieren sich viele Mitglieder des Aktivenkreises zum ersten Mal gewerkschaftlich. Elanur Bulut ist eine davon. Die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und politischer Vorerfahrung sei keineswegs unanstrengend, sagt die 52-Jährige, die eigentlich anders heißt, aber ihren Namen nicht gedruckt sehen möchte. »Es ist ein Lernprozess, für uns alle.«
Dass man sich gegenseitig ausreden lässt, dass man Kritik respektvoll formuliert, dass mitgebrachte Privilegien als Mann, Akademiker*in oder Mensch mit deutschem Pass in dieser Runde nicht wichtig sind. Das sei für einige ihrer Mitstreitenden anfangs »ein bisschen ungewohnt« gewesen, sagt Bulut. Und klappe auch nicht immer reibungslos. Trotzdem: Das gemeinsame Engagement habe die Menschen verändert. Habe sie mutiger und selbstbewusster werden lassen. »Auch stillere Leute melden sich jetzt zu Wort.« Weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass jeder Beitrag gleich viel wert ist, ob es nun Flugblattschreiben oder Bänkeschleppen sei. Weil sie Selbstwirksamkeit erlebt haben. Weil Solidarität für sie nicht mehr bloß ein Wort ist.
»Das ist eine Chance«, meint Bulut. »Und kann zu weiterem Nachdenken anregen: Wenn Solidarität am Arbeitsplatz stattfinden kann, warum dann nicht auch sonst in der Gesellschaft?« Bei Streikversammlungen wird deshalb selbstverständlich auch zu Demonstrationen gegen die AfD aufgerufen; etliche Streikende beteiligen sich auch an diesen Protesten. »AfD & Co sind schließlich gewerkschaftsfeindlich. Da muss man sich nichts vormachen.«
Es ist eine Wahrheit, die man nicht in allen Betrieben gerne hört. In Regionen, in denen die AfD stark ist, werden Gewerkschaftsvertreter*innen bei Betriebsbesuchen mitunter aufgefordert, sich ausschließlich zur Tarifpolitik zu äußern – und bloß nicht gegen rechts. Für Peter Schmid, den langjährigen Huhtamaki- Betriebsrat, käme ein solches Wegducken nie infrage. »Ich verstehe ja, dass die Leute mit der Politik der letzten Jahrzehnte unzufrieden sind«, sagt er. »Aber die AfD ist keine Alternative. Rechtsextremismus ist nie eine Alternative. Dafür muss man doch nur die deutsche Geschichte anschauen!«