Die Begeisterung flaut ab
Warum es weniger Auszubildende beim Beruf Mediengestaltung Digital und Print gibt. Eine Spurensuche.
Es war eine Überraschung, aber keine gute: 2023 starteten zwölf Prozent weniger Mediengestalter*innen Digital und Print ihr erstes Ausbildungsjahr. Einen solchen Einbruch hat es seit Etablierung des Berufs vor 26 Jahren nur im Jahr 2020 in der Corona-Pandemie gegeben. Zumal der Beruf in der Druck- und Medienbranche lange als Selbstläufer galt: beliebt und sehr nachgefragt.
Mit knapp 70 Prozent Anteil stehen die Mediengestalter*innen Digital und Print zwar noch immer an der Spitze aller Ausbildungsverträge der Druck- und Medienberufe. Doch die Zahl der neuen Azubis liegt gerade mal auf dem Niveau während der Corona-Pandemie und ist im Vergleich zu 2014 um 1.000 abgesackt. An einem allgemeinen Trend liegt es nicht: Ausbildungsberufe anderer Branchen haben durchschnittlich ein Plus von zwei Prozent. Was ist dann der Grund?
Mehr Automatisierung
»Wenn die Wirtschaft schwächelt, werden zuerst die Werbebudgets gekürzt mit der Folge, dass es Werbeagenturen an Aufträgen fehlt und womöglich der Ausbildungsplatz gestrichen wird«, sagt Jan Schmidt. Der Berufsschullehrer und Fachberater an den regionalen Landesämtern für Schule und Bildung in Niedersachsen hat sich bei Firmen umgehört, die in der Regel Mediengestalter*innen ausbilden. Niedersachsen gehört wie Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen zu den Bundesländern, in denen die Neuverträge auffällig zurückgegangen sind.
Diese Vermutung bestätigt der Bundesverband Druck und Medien. Kriselt die Wirtschaft, gibt’s weniger Ausbildungsplätze. Das ist bereits zwei Mal passiert: In der Finanzkrise 2009 wurden 683 weniger Neuverträge abgeschlossen, fast ebenso viele im Corona-Jahr 2020.
Also kein Grund zur Sorge? Steigen die Werbebudgets, dann gibt es wieder mehr Azubis? Das sei nicht zu vermuten, sagen Berufsschullehrer*innen auf Nachfrage. »Mit zunehmender Automatisierung und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz müssen Arbeiten nicht zwingend von Fachleuten erledigt werden«, sagt Thomas Zimmer, am Münchner Berufsschulzentrum Alois Senefelder für die Weiterbildung zu Druck- und Medientechniker*innen zuständig. Layoutvorlagen würden allenfalls modifiziert, Bildbearbeitung sei weitgehend automatisiert. »Wir haben es mit einem schleichenden Produktivitätsfortschritt zu tun.« Zudem würden Aufträge in dieser Branche offensichtlich lieber an die zahlreichen Freiberufler*innen vergeben, statt sich langfristig an eigenes Personal zu binden.
Ähnlich argumentiert Jan Schmidt: »Websites lassen sich heute schon von talentierten Amateuren mit marktüblichen Tools aus dem Internet erstellen.« Mediengestalter*innen seien allenfalls für Spezialaufgaben oder fürs Programmieren gefragt. »Sie werden künftig nicht mehr selbst gestalten, sondern bewerten und entscheiden«, ergänzt Goy Grass und erzählt von dem Experiment, ein Plakat zur Mode der 1960er-Jahre für eine Ausstellungshalle in Frankfurt mittels künstlicher Intelligenz zu entwerfen. Das Ergebnis: »40 Entwürfe waren Schrott, zehn richtig gut und das in wenigen Minuten. Dafür hätte ein erfahrener Grafiker ein paar Stunden gebraucht«, berichtet der Berufsschullehrer von der Gutenbergschule.
Neu geordnet und schon veraltet?
Der Beruf Mediengestalter*in Digital und Print ist im vergangenen Jahr neu geordnet worden. Und schon veraltet, kritisiert Schmidt. »Wir sind bei der Weiterentwicklung eines Berufs zu langsam.« Ob Standbildmodelling oder 3-D-Animation, all das fehle in der neuen Verordnung, würde aber von Unternehmen nachgefragt, so Grass. Der Beruf passe nicht mehr zur Wirklichkeit, lautet die Kritik.
Dem widerspricht Anette Jacob, Geschäftsführerin des ZFA. Der Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien ist zuständig für fachliche Fragen rund um die Ausbildung in den Druck- und Medienberufen. Gerade weil sich in der Branche so viel tut und sich der Beruf ändert, wurde er neu geordnet – übrigens das Ergebnis einer Voruntersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB). Bisher habe sie ausschließlich positive Rückmeldungen zur Neuordnung erhalten. Unter anderem wurde eine eigene Fachrichtung Digitalmedien geschaffen. Zudem gibt es Spezialisierungen in Wahlqualifikationen, etwa die Produktion interaktiver oder audiovisueller Medien oder die Erstellung von 3-D-Grafiken und Bewegtbildern.
Goy Grass überrascht der jetzige Rückgang an Neuverträgen nicht. Der Trend habe sich in Frankfurt bereits seit der Corona-Pandemie abgezeichnet. Seitdem seien die Zahlen an der Gutenbergschule in Frankfurt eingebrochen: Statt 70 neue Auszubildende für Mediengestaltung sind es nur noch rund 40. So viele, hofft Grass, werden sich auch dieses Jahr wieder anmelden.
Ausbildung macht Arbeit
Ein Unternehmen, das kontinuierlich über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet, ist BW Bildung und Wissen Verlag und Software in Nürnberg. »Bei uns gehen nach wie vor sehr viele Bewerbungen ein«, berichtet Redakteur Frank Schönleben. Der Beruf Mediengestalter*in sei weiterhin extrem beliebt. Das bestätigen die bundesweiten Zahlen: Im September 2023 standen laut Bundesagentur für Arbeit 3.830 Interessent*innen nur 1.340 gemeldete Ausbildungsplätze gegenüber. Frank Schönleben vermutet, dass sich Unternehmen aus der Ausbildung zurückzögen. »Klar, Ausbildung macht in den ersten anderthalb Jahren Arbeit. Aber unsere Mediengestalter*innen werden nach der Prüfung liebend gern von anderen Unternehmen übernommen.«
Beunruhigt ist Anette Jacob vom ZFA über den Rückgang der Neuverträge bei den Mediengestalter*innen noch nicht. Sorgen macht ihr vielmehr, dass es immer weniger neue Azubis für Medientechnologie Druck, Siebdruck und Druckverarbeitung gibt. »Diese Fachkräfte werden dringend gebraucht und händeringend gesucht.«