Aus den Betrieben

Schnauze voll

DuMont-Tochter verweigert Tarifverträge | Dauerstreiks beim Bundesanzeiger

Von öffentlichen Aufträgen leben, aber mies zahlen: Die Belegschaft streikt für einen Tarifvertrag.

Sie riefen im Sprechchor und mächtig laut: »Tarifvertrag jetzt!« Das war während einer Betriebsversammlung des Kölner Bundesanzeiger-Verlages im April. Schon zwei Monate zuvor hatten die Beschäftigten mit ersten Streiks für Tarifverträge Druck gemacht. Zuerst eintägig, dann zwei Tage am Stück. Seit dem 2. Mai läuft der Ausstand nahezu ohne Unterbrechung.

»Wir sind fest entschlossen, weiter zu streiken«, sagt Gerhard Treinen, Vorsitzender der betrieblichen Tarifkommission und des Betriebsrats. Die Belegschaft habe die Schnauze voll von Niedriglöhnen. Die meisten Beschäftigten erhalten lediglich 2.400 Euro brutto. Und von den 900 Menschen im Verlag sind knapp 200 befristete und über 250 Leiharbeitskräfte.

Trotz vieler unsicherer Arbeitsverhältnisse und Einschüchterungsversuche von Vorgesetzten sei die Streikbeteiligung stabil, berichtet ver.di-Sekretär Ingo Weerts. Die Streikenden fordern eine Erhöhung aller Gehälter um 8,5 Prozent. Auch solle das Einstiegsgehalt künftig wenigstens 2.740 Euro betragen statt 2.400 Euro. »Davon lässt sich in Köln und Umgebung bei diesen Mieten keine Familie ernähren«, sagt Weerts. »Viele Beschäftigte sind deshalb zu einem Nebenjob gezwungen.«

Ganz der FDP verbunden

Doch der Geschäftsführer des Bundesanzeiger-Verlags, Matthias Schulenberg, weigert sich, in Verhandlungen mit ver.di zu gehen. Das verträgt sich wohl nicht mit seiner politischen Auffassung. Der mehrfache FDP-Funktionär ist Vorsitzender eines Bundesfachausschusses, war Mitglied einer Arbeitsgruppe bei den Ampel-Koalitionsverhandlungen und 2018 Mitglied der FDP-Programmkommission.

Der Bundesanzeiger-Verlag

Der Verlag erhält rund 80 Prozent seiner Einkünfte aus Zuweisungen von Ministerien und Ämtern, da der Hauptinhalt gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichungen sind. Herausgeber ist Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Als Teil des DuMont-Medienkonzerns macht der Verlag keine eigenen Wirtschaftszahlen bekannt. Nach eigenen Angaben konnte das Gesamtunternehmen im vergangenen Jahr den Umsatz um zwei Prozent auf knapp 450 Millionen und das Vorsteuerergebnis um knapp sechs Prozent auf 77 Millionen Euro steigern. Dazu steuert der Bundesanzeiger-Verlag nach gesicherten Schätzungen zum Umsatz etwa 130 Millionen und beim Gewinn etwa 18 bis 20 Millionen Euro bei. Zum Bundesanzeiger-Verlag gehören Fachpublikationen aus den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern. Der Verlag wurde 1998 teilweise und 2006 vollständig privatisiert.