Unterwegs beim ver.di-Bundeskongress
18 Monate lang wurde der 6. ver.di-Bundeskongress vorbereitet. Jetzt ist es soweit. Etwa 1.000 ehrenamtlich Aktive bestimmen unter dem Motto »Morgen braucht uns« den Kurs der Gewerkschaft für die nächsten vier Jahre.
Bei Konferenzen auf Bezirks- und Landesebenen wählten ver.di-Mitglieder aus allen Berufs- und Personengruppen ihre Kongress-Delegierten. So zogen am 17. September auch 18 Kolleg*innen aus Verlagen, Druck, Papier und Industrie in den großen Saal des Berliner Hotels »Estrel« ein. An ihren Plätzen USB-Sticks und dicke Hefter mit Kongressunterlagen, auch ein Gerät zur elektronischen Abstimmung. Erstmals wird eine Software eingesetzt, um Wortmeldungen und Abläufe zu koordinieren.
Elke Lang, Betriebsratsvorsitzende bei der Heilbronner Stimme und seit vielen Jahren aktiv bei ver.di, erinnert sich an den vorherigen Kongress in Leipzig, als »der Wechsel der Franks« (von Frank Bsirske zu Frank Werneke) an der ver.di-Spitze das Besondere war. Werneke kennt sie seit Langem als Tarifverhandlungsführer in der Druckindustrie. Jetzt wurde er als ver.di-Vorsitzender wiedergewählt. Elke Lang ist die Tarifbindung dieses Mal ein wichtiger Schwerpunkt. In den vielen Debatten über mehr als 1.000 Anträge sieht sie einen »einzigartigen demokratischen Vorgang«.
Kritisch hinterfragen
Ralf Völke musste nicht wie 2019 schnell als Ersatz einspringen, sondern ist direkt delegiert. Lange als Betriebsrat bei Westermann Logistik freigestellt, kümmert sich der 60-jährige nun vor allem um Jüngere. Mitgliederwerbung und Tarifarbeit sind sein Metier. Er erwartet, dass der Kongress für gute Arbeit votiert und gegen sachgrundlose Befristungen vorgeht. Anträge zur Erhöhung des Rentenniveaus unterstützt der Braunschweiger wegen seiner Erfahrungen im Niedriglohnsektor.
Der Berliner René Arnsburg ist Kongress-Neuling. Der 35-Jährige aus dem Manifest-Verlag hat einen Änderungsantrag zum friedenspolitischen Leitantrag des Gewerkschaftsrats im Gepäck. Die Verteidigungsstrategie von EU und Bundesregierung einschließlich Sanktionen, Waffenlieferungen und Milliarden für die Bundeswehr müssten von der Gewerkschaft kritischer hinterfragt werden, findet er. Schon vor dem Kongress sei das heftig debattiert worden. Dass unterschiedlichen Positionen auch den Kongress beleben, zeigten ihm die 47 Redebeiträge zum Geschäftsbericht. Energischer Zuspruch für eigenständige ver.di-Positionen gegenüber der Ampel-Politik mache Mut, sagt er.