Unterwegs zum

Unterwegs zum Karl-Richter-Verein

Museum und Geschichtswerkstatt in einem – der Verein ist im Aufbruch. Wie sagte Karl Richter: »Man muss die Welt so nehmen, wie sie ist, aber man darf sie nicht so lassen.«

Berlin-Kreuzberg. Dudenstraße 10. Ist dort nicht …? Genau. … das Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker. Seit 1926. In einem Seitenaufgang geht es eine geschwungene Treppe nach oben. Hier residiert der Karl-Richter-Verein, der sich gerade neu erfindet – die Geschichte der Schwarzen Kunst pflegt und sie gleichzeitig in die digitalisierte Welt lotst.

Als Karl Richter, von Beruf Buchdrucker und viele Jahre Vorsitzender der IG Druck und Papier in Berlin (West), 80 Jahre Mitglied in der Gewerkschaft war, wurde zu seinen Ehren am 1. Oktober 2000 der Verein gegründet. Mit dem ausschweifenden Namen: Zur Förderung der Erforschung der Geschichte und der Traditionen der Buchdrucker.

Büsten, Bilder, Bücher

In den Vereinsräumen sitzt man auf originalen Taut-Stühlen. Die standen früher im Großen Saal des Verbandshauses der Buchdrucker. Was müssen sie hier für hitzige Debatten ausgetragen haben. Auch der Tisch in der Mitte stammt vom Architekten Bruno Taut, Vertreter der Neuen Sachlichkeit und Erschaffer des Buchdruckerhauses. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Hier war die Büste von Verbandsgründer Richard Härtel aufbewahrt – vor den Nazis im Haus versteckt – heute dauerhaft an die Nationalgalerie in Berlin ausgeliehen. An den Wänden der Vereinsräume hängen Bilder von Beschäftigten im Druckhaus Tempelhof. Vor 40 Jahren von einem Künstler und Drucker gemalt. Unterhalb ein Hand-Tiegel, viel älter. Und in der Bibliothek geht es zurück bis in die gewerkschaftliche Frühzeit im Druckgewerbe. Darunter der Klassiker »Schwarze Kunst und Klassenkampf 1830 – 1880« von Gerhard Beyer.

Schätze der Buchdruckergeschichte

Die Bibliothek beherbergt grafisch aufwendig gestaltete Einladungen zu Stiftungs- und Johannisfesten, vor den Nazis versteckte Flugblätter und die kompletten »Gutenberg-Jahrbücher« ab 1950. Ein großer Schatz der Buchdruckergeschichte – ergänzt durch 800 Bände, die nach Karl Richters Tod zum Verein kamen.

Ein Schatz, der zu sehr im Verborgenen blieb. Also wird jetzt das Verzeichnis digitalisiert – ein »fachlich gegliedertes Bestandsverzeichnis« mit etwa 3.500 Eintragungen ist geplant. Mit Literatur zu den grafischen Gewerkschaften, Tarifschriften, Arbeits- und Betriebsordnungen, Fachliteratur sowie Zeitschriften, Jahrbüchern und Kalendern. Alles soll auch online verfügbar sein.

Mit der Digitalisierung geht es hinaus in die Öffentlichkeit. Nicht mehr nur Museum, sondern Geschichtswerkstatt und Aushängeschild fürs grafische Gewerbe. Darüber haben die Mitglieder auf ihrer Versammlung Anfang Oktober debattiert. Vieles steht auf dem Prüfstand: der Vereinsname, die Außenwirkung oder wie der Verein jüngere Leute gewinnt? Der Kern ist klar: Das grafische Gewerbe, die Druckindustrie und ihre Berufe sollen bekannter werden. Mit Ausstellungen, Projekten und Infos auf der überarbeiteten Homepage. Frühzeit und Neuzeit – was ist heute los in der Druck- und Mediengewerkschaft.

Lonis Schreibtisch

Etwas versteckt steht ein Schreibtisch. Nicht irgendeiner, sondern der von Loni Mahlein, der die bundesdeutsche IG Druck und Papier von 1968 bis 1983 durch legendäre Arbeitskämpfe führte. An seinen 100. Geburtstag im April habe kaum jemand erinnert, moniert Vereinsmitbegründerin Constanze Lindemann (doch: DRUCK+PAPIER 1/2021). Eine Biografie gebe es nicht. »Die wollen wir jetzt angehen.«

www.karl-richter-verein.de