»Wir wurden überrannt«
Abrupte Schließung der Druckerei des Westfalen-Blattes in Bielefeld
Es ist Mitte August. Im Druckzentrum arbeitet niemand mehr. Die Rotationen sind abgeschaltet, keine Zeitung läuft mehr vom Band. Betriebsratsvorsitzende Karin Deppe sortiert letzte Unterlagen, erledigt letzte Anrufe und setzt eine letzte Unterschrift.
Protest gegen die Schließung am 11. Juli vor dem Bielefelder Hof – mit dabei auch ehemalige Beschäftigte. Foto: Anne Neier
DRUCK+PAPIER: Du hast gerade das Betriebsratsbüro geräumt.
Karin Deppe: Ja, alles passierte in kürzester Zeit. Am 4. Juli erklärte die Geschäftsleitung dem Betriebsrat und der Belegschaft, das Druckzentrum zum 31. Juli zu schließen. Wir hatten nicht einmal einen Monat Zeit, um den Schock zu verkraften und eine Strategie zu überlegen. Wir wurden überrannt.
War die Schließung abzusehen?
Nicht in diesem Tempo. Im Mai wurde die Produktion der Anzeigenblätter eingestellt. 45 Voll- und Teilzeitkräfte aus der Einlage, der Weiterverarbeitung und der Rotation verloren ihre Arbeit. Das war fast die Hälfte der Belegschaft. Wir dachten, wir hätten das Schlimmste erst einmal überstanden. Einige Kolleg*innen waren zwar der Meinung, das Druckhaus würde zum Jahresende komplett geschlossen. Aber niemand ahnte, dass das schon zwei Monate später geschieht. Zumal wir erst einen Haustarifvertrag verhandelt hatten.
Karin Deppe, ehemals Betriebsratsvorsitzende beim Westfalen-Blatt, jetzt in der Transfergesellschaft. Foto: privat
Du sagst, Betriebsrat und Belegschaft fühlten sich getäuscht von der Geschäftsleitung. Wieso?
Sämtliche Maßnahmen begründete die Geschäftsleitung damit, dass sie notwendig seien, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Die vom Betriebsrat geforderten Garantien für die verbleibenden Arbeitsplätze wurden uns allerdings verwehrt. Es gab nur Lippenbekenntnisse und Floskeln. Deshalb fühlen wir uns getäuscht.
2019 fusionierte die Westfalen-Blatt-Gruppe mit dem Aschendorff-Verlag aus Münster. In deren tariflosen Druckhaus werden eure Tageszeitungen gedruckt. War die Schließung von langer Hand geplant?
Zumindest gibt es Anzeichen dafür. Sofort nach der Fusion kam eine Unternehmensberatung ins Haus, es wurden Redaktionen, etwa in Gütersloh, und Geschäftsstellen geschlossen und stattdessen sogenannte Servicepoints in Buchhandlungen eröffnet. Ende 2020 wechselte das Druckzentrum des Westfalen-Blatts in die tariflose Mitgliedschaft beim Unternehmerverband. Um diese Zeit kündigten die Gesellschafter auch den langjährigen, schon vor der Fusion gültigen Gewinnabführungsvertrag, wonach Gewinne der Druckerei des Westfalen-Blatts an die Westfalen-Blatt-Gruppe abgeführt werden mussten, die wiederum die Verluste zu tragen hatte. Damit war das Druckhaus aus der Unternehmensgruppe herausgelöst, es hätte auch pleitegehen können. Die Corona-Pandemie und damit der Verlust von Anzeigen haben sicher auch zu der Entscheidung beigetragen, die Druckerei zu schließen. Allerdings war die Druckerei im vergangenen Jahr noch ausgelastet.
Was passiert mit den 52 Kolleg*innen?
Im August waren sie bei vollem Gehalt freigestellt. Seit September können sie in eine Transfergesellschaft wechseln – freiwillig und maximal ein Jahr. Entgegen der Ankündigung der Geschäftsführung, keinen Cent zu zahlen, konnten wir mit Hilfe von ver.di Abfindungen aushandeln, allerdings weniger als sonst üblich. Viele Kolleg*innen, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren, waren jahrzehntelang im Haus. Es ist alles schon sehr traurig!