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T-Shirts-Beflocker

Von ungeeigneten Betrieben und schlecht ausgebildeten Azubis

Zum Artikel »Teures Fiasko« über die schlechte Ausbildungsqualität von privaten Bildungsträgern bei Mediengestalter*innen (DRUCK+PAPIER 1/2023, t1p.de/teures-fiasko-dp123) schrieb ein ehemaliger Prüfer. Der Name ist der Redaktion bekannt.

»Bei diesem Artikel ging mein Puls hoch. Ich habe lange in einem Prüfungsausschuss für Mediengestalter als Beisitzer verschiedene Betriebe anlässlich von Zwischen- und Abschlussprüfungen besucht. Irgendwann habe ich resigniert hingeschmissen. Viel zu oft habe ich Azubis vorgefunden, die in Betrieben saßen, die niemals als Ausbildungsbetrieb hätten zugelassen werden dürfen.

Die ahnungslosen jungen Menschen saßen in 1-Mann-Copyshops oder bei Werbebeschriftern und hatten in der Praxis offensichtlich fachfremde Tätigkeiten zu erledigen oder haben Arbeiten in einer Art und Weise ausgeführt, die weit ab von jeglichem Branchenstandard lagen.

Der Gipfel waren zwei Abschlussprüflinge in einem Sportgeschäft. Sie hatten nicht einmal im Ansatz eine Idee, wie sie überhaupt anfangen sollten. Es stellte sich heraus, dass sie hauptsächlich Tennisschläger bespannt, T-Shirts beflockt und im Laden verkauft haben. Es konnte mir auch niemand valide erläutern, wer der Ausbilder mit der fachlichen Ausbildereignung im Hause sein sollte.

Wie konnte es sein, dass ein solch offensichtlich ungeeigneter Sportladen als Ausbildungsbetrieb für gleich zwei (!) Mediengestalter von der IHK zugelassen wird? Als ich den Leiter der zuständigen IHK-Geschäftsstelle auf die Missstände angesprochen habe, bekam ich zur Antwort, ich solle einen Bericht darüber schreiben.

Überflüssigerweise wurden viele der betroffenen Prüflinge aus Mitleid vom Prüfungsausschuss durchgewinkt. Man hat ihnen damit keinen Gefallen getan. Das Berufsfeld gleicht einem bunten Trümmerfeld, an dem man nur Gefallen finden kann, wenn man von der ›Coolness‹ der Medienbranche geblendet ist. Es gibt in der Praxis keine klare Aufgabendefinition und -abgrenzung mehr. Der typische Mediengestalter ist die eierlegende Wollmilchsau: Print, Digital, Social Media, Video, Web, Text, Marketing, SEO, Konzeption, Design, Animation … Die einschlägigen Stellenanzeigen lesen sich wie die Beschreibung einer personifizierten Full-Service-Grafikagentur. Und so wird es auch oft gehandhabt. Viele KMUs (kleine und mittlere Unternehmen, d. Red.) holen sich so einen Mediengestalter als ›Schweizer Taschenmesser des Marketings‹ ins Haus und haben dann die eigene In-House-Agentur für einen schmalen Stundensatz am Start.«