Aus den Betrieben

Das perfide Spiel

Versetzung von Beschäftigten bei der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) nach Gutsherrenart | Wie sich der Verlag in München seines Personals entledigt

Seit Christian Wegner in München als Geschäftsführer regiert, also seit fünf Jahren, wird geholzt. Zuletzt musste die Redaktion der Süddeutschen Zeitung bluten, jetzt ist es der Verlagsbereich. Hier machen sogenannte Versetzungsschreiben die Runde, ausgesandt mit der Weihnachtspost 2022. Darin werden Beschäftigte angewiesen, künftig ihren Arbeitsplatz an einem anderen SWMH-Standort anzutreten, wenn die Firma befindet, dass sie dort gebraucht werden. Das könnte sich zu einem regen Pendelverkehr zwischen München, Stuttgart, Landsberg und Hof entwickeln, ist rechtlich umstritten, aber auf jeden Fall rechtswidrig, wenn in einem bestehenden Vertrag der Arbeitsort fixiert ist.

Kurz vor der Rente ab nach Stuttgart

Aktuell betroffen sind die Buchhaltungen und dort die langjährigen, rentennahen Fachkräfte, wie im Betriebsrats-Info des Süddeutschen Verlags nachzulesen ist. »Wir reden hier von Kolleginnen, die Jahrzehnte sehr gute und wertvolle Arbeit geleistet haben«, schreibt der Vorsitzende Jens Ehrlinger und fragt: »Warum geht man so mit Menschen um?«

Besonders krass ist der Fall einer 61-jährigen Buchhalterin, den der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Harald Pürzel, schildert. Seit Mai fährt sie zweimal in der Woche von einem Münchner Vorort nach Stuttgart: mit dem Auto zwei Stunden hin, zwei Stunden zurück, wenn’s gut geht. Mit dem Zug wären es mindestens drei Stunden. In ihrem Vertrag steht München als Arbeitsort.

Im Stuttgarter Pressehaus tut sie nun genau das, was sie in München getan hat – die Honorare der Süddeutschen abzurechnen, zusätzlich noch jene der Kleinverlage innerhalb der Stuttgarter Zeitungsgruppe. Das hätte sie ohne Not genauso an ihrem angestammten Arbeitsplatz erledigen können, was aber nicht ging, weil die Münchner Honorarabteilung unbedingt aufgelöst werden musste.

Die Kollegin gehört dem Verlag seit 36 Jahren an, die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung hat sich für sie eingesetzt, Konzernbetriebsratsvorsitzender Harald Pürzel ist eigens bei Christian Wegner vorstellig geworden. Ohne Erfolg. Der promovierte Betriebswirt, der vom Kommerzsender Pro Sieben gekommen war, habe ihm deutlich gemacht, sagt Pürzel, dass ihn das nicht interessiere – »völlig schmerzfrei«.

Schlecht getarnte Kündigungen

Seitdem denkt Pürzel verstärkt darüber nach, was eigentlich dahintersteckt. Dass die Über-Land-Verschickung nur eine schlecht getarnte Kündigung ist und moralisch verwerflich, das liegt auf der Hand. Aber was ist, wenn selbst BWL-Kriterien nicht zählen, wenn es wirtschaftlicher gewesen wäre, die Mitarbeiterin in drei Jahren in Rente gehen zu lassen, was sie vorhatte?

Ist es die Unfähigkeit, mitmenschlich zu denken, die Lust am Quälen, die Angst vor dem Gesichtsverlust, wenn ein Fehler korrigiert wird, oder geht es nur um das eigene Geld? Für Pürzel ist es das einzige Motiv, das er nachvollziehen kann. Es ist der Bonus, den ein Topmanager kriegt, wenn er seine von Eigentümern und Banken diktierten Zielvorgaben erreicht. Je dünner die Belegschaft, desto fetter der Bonus.

JOSEF-OTTO FREUDENREICH
Der Autor arbeitet für die Kontext: Wochenzeitung. Dort ist eine längere Fassung des Textes erschienen. www.kontextwochenzeitung.de