Ippen schließt Societäts-Druckerei
Betriebsrat vermutet gezieltes Vorgehen, um die Druckerei überflüssig zu machen
Stell dir vor: Ein Verleger besitzt über Minderheits-, Mehrheits- und Überkreuzbeteiligungen mehrere Druckereien, Tageszeitungen und Anzeigenblätter. Das Druckgeschäft läuft schleppend – Abozahlen und Auflagen sinken – alles bekannt. Seine Manager*innen machen sich ans Werk: Sie verschieben – wie auf einem Schachbrett – hier eine Zeitungsproduktion an einen anderen Standort, tauschen da zwei Rotationsmaschinen, machen dort das Zeitungsformat größer und woanders kleiner und haben – voilà – eine Druckerei überflüssig gemacht. Mitsamt dem Gebäude, der schlecht ausgelasteten Produktion und einer Belegschaft, die bei Konflikten die Arbeit niederlegt. Und Löhnen, die noch aus dem Tarifvertrag der Druckindustrie stammen.
Das passiert gerade mit der Frankfurter Societäts-Druckerei. Die gehört der Ippen- Gruppe. Geplant ist die Schließung der Druckerei in Mörfelden bis Ende 2024. Es werden 155 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren, außerdem 100 Leiharbeits- und Werkvertragskräfte.
Die Teilauflagen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sollen ab 2025 beim Zeitungsdruck Dierichs (Ippen-Gruppe) in Kassel hergestellt werden. Ausschlaggebend dafür, dass der nordhessische Standort den Auftrag erhalten habe, seien »eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur« und »ein leistungsstarkes, kompetentes und engagiertes Team«. So steht es auf dem Aushang in Kassel, unterzeichnet von Volker Hotop. Er hat Funktionen in beiden Betrieben: Bei Dierichs ist er technischer Leiter, in der Societäts-Druckerei der Geschäftsführer.
Maschinen tauschen, Formate ändern
Die fehlende Druckmaschine fürs nordische Format wird aus dem Druckhaus Syke nach Kassel geschafft. Im Gegenzug erhält das Druckhaus Syke (Ippen-Gruppe) eine Druckmaschine fürs Berliner Format. Die beiden Tageszeitungen Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neue Presse sollen beim Pressehaus Bintz Verlag (Ippen-Gruppe) in Offenbach produziert werden – an einer neuen Druckmaschine im Berliner Format. Die Frankfurter Neue Presse wird vom nordischen aufs Berliner Format verkleinert und die Frankfurter Rundschau von Tabloid vergrößert.
Der Betriebsrat der Societäts-Druckerei wurde am 15. Februar über die Schließung informiert, eine halbe Stunde später die Belegschaft. »Als Grund wurde der Verlust des Druckauftrags der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung genannt«, sagt Betriebsratsvorsitzender Nektarios Androulidakis. Dass beide Zeitungen künftig in Kassel gedruckt werden, wurde dem Betriebsrat verschwiegen. Er ist überzeugt davon, dass die Ippen-Gruppe geplant vorgeht: mit dem Ziel, die Societäts-Druckerei zu schließen. »Uns wurde oft gesagt, dass andere Standorte billiger produzieren.« Fast alle Beschäftigten erhalten noch Tariflohn – seit 2018 ohne Lohnerhöhungen.
Die Frankfurter Societäts-Druckerei war eine der größten europäischen Rollenoffsetdruckereien. 2018, kurz nachdem die Ippen-Gruppe und die Gießener Verlegerfamilie Rempel die Druckerei von der FAZ-Gruppe gekauft hatten, wurde mitten in der Lohn-Tarifrunde der Tarifausstieg bekannt gegeben. Kurz danach wurden rund 70 Beschäftigte entlassen, weil der Axel-Springer-Verlag einen Druckauftrag nicht verlängert hatte. Mehrere Wochen streikten die Kolleg*innen aus der Produktion für einen Anerkennungstarifvertrag und gegen die Entlassungen. Klein beigeben werden sie auch dieses Mal nicht.