Aus den Betrieben

»Asoziale Personalpolitik«

Südwestdeutsche Medienholding macht Druckerei dicht und eröffnet tarifloses Druckzentrum | Beschäftigte wehren sich

Lange nicht gesehen. Männer mit gereckten Fäusten auf dem Parkdeck des Stuttgarter Pressehauses. Betriebsratsvorsitzender Samir Alicic sagt, das sei der »tiefste Schlag« in seinen 35 Jahren in diesem Unternehmen. Sein Kollege Michael Trauthig wirft dem Management vor, auf der Brücke zuzuschauen, »wie wir absaufen«. Harald Pürzel, der aus München angereiste Konzernbetriebsratsvorsitzende, geißelt eine »asoziale Personalpolitik«, ver.di-Sekretär Uwe Kreft nennt es schlicht eine »Sauerei«. Sie alle protestieren gegen die Schließung der Druckereien in Stuttgart und Esslingen. Adressat ist wieder einmal die Eigentümerin: die Südwestdeutsche Medienholding, kurz SWMH.

Aus Sicht des Konzerns ist es hilfreich, ein Pressemonopolist zu sein. Dann kann man seiner Leserschaft (»Für Sie ändert sich nichts«) in unterschiedlich betitelten Blättern unhinterfragt das Gleiche erzählen: dass die Druckhäuser zu groß, zu alt, zu teuer seien und ein »Abbau von Arbeitsplätzen« unabdingbar sei, aber selbstverständlich »sozialverträglich«. Zur langfristigen Sicherung qualifizierter Jobs jedoch unbedingt notwendig. Weil PR-Mitteilungen gut klingen sollen, wird noch mitgeteilt, dass 55 Festangestellten und ungefähr 100 Aushilfen ein Platz in einer neuen Gesellschaft angeboten werde. Sie heißt MHS Print und ist eine GmbH der Medienholding Süd, die wiederum eine Tochter der SWMH ist.

Die Realität sieht so aus: Die neue GmbH ist raus aus dem Tarif, die bisher 258 Beschäftigten sind oder werden gekündigt, eine Sozialauswahl findet nicht statt, Interessenten können sich neu bewerben, erhalten bis zu 30 Prozent weniger Lohn. »Am Ende nehmen sie die«, sagt ver.di-Mann Uwe Kreft, »die bereit sind, unter Tarif zu arbeiten.« Geschlossen ist bereits die Druckerei in Esslingen, beschleunigt durch den Verlust des lukrativen Bild-Auftrags. Bis März 2023 übernimmt das Druckhaus Stuttgart, das danach geschlossen wird. Dann wird wieder nach Esslingen übergeben, wo eine neue Anlage für 20 Millionen Euro errichtet werden soll. Das sei ihre Zusage, verspricht MHS-Geschäftsführer Herbert Dachs, dass die gedruckte Zeitung »dauerhaft Teil unseres Medienhauses bleibt«. Gewerkschafter Kreft drückt es nüchtern aus: »Aus zwei mach’ eins«.

Für ihn und die Betriebsräte ist das Stuttgarter Pressehaus ein ständiger Kampfplatz. Die Mutter aller Schlachten, die SWMH, kennt in aller Regel nur ein Rezept gegen die anhaltende Sorge ihrer Gesellschafter um ihre Profitrate: sparen und nochmals sparen, am sichersten beim Personal. Siegfried Heim, bei ver.di in Baden-Württemberg, beschreibt das Geschäftsprinzip der Rotstiftverleger so: »Um jeden Preis die Gewinne halten – auf Kosten der Beschäftigten.« Mehr falle ihnen dazu nicht ein.

Ausweislich interner Unterlagen ist das in Stuttgart schwieriger als in München. Während die Süddeutsche Zeitung schwarze Zahlen meldet, verzeichnen die Schwaben (Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Eßlinger Zeitung) halbierte Auflagen, weiter rückläufige Werbeerlöse und ein negatives Gesamtergebnis (EBITDA). Dadurch erhöht sich der Druck auf das MHS-Management um Geschäftsführer Dachs, dem offensichtlich kein Winkelzug fremd ist. So können ver.di und die Betriebsräte nie sicher sein, ob mündliche Zusicherungen Bestand haben, ob die derzeit verhandelten Abfindungssummen gelten oder, wie geschehen, einen Tag später wieder vom Tisch sind.

Die Drucker haben die Sache in die Hand genommen, gewohnt, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Ihre jüngste Betriebsversammlung haben sie einfach so lange ausgedehnt, bis Andruck und Auslieferung gefährdet waren – und schon war das bessere Angebot wieder da. Für die nächsten Runden denkt ver.di darüber nach, ob ein Streikaufruf nicht noch nachdrücklicher wäre.

Der Autor ist Redaktionsmitglied der Wochenzeitung Kontext.
Hintergrund zum Stuttgarter Pressehaus: www.kontextwochenzeitung.de/medien/590/luecken-ueberall-luecken-8317.html