Aus den Betrieben

Haustarifvertrag bei Jungfer Druck

Bis zu 16 Prozent mehr Lohn | Gut organisierte Belegschaft

Die erste Lohnerhöhung gab es im November 2021, drei weitere werden folgen. Im Haustarifvertrag bei Jungfer Druck sind für die 44 nach 2003 eingestellten Hilfskräfte 16,2 Prozent mehr Lohn vorgesehen, gestaffelt über vier Jahre. »Uns war es wichtig, dass die Neueingestellten erst einmal mehr Geld bekommen und die Lohnunterschiede kleiner werden«, erklärt Jörg Liehmann, der zur betrieblichen Tarifkommission gehörte und jüngst zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde. Auch für die anderen 272 Beschäftigten gibt es mehr Geld – zwischen sechs und 16 Prozent, ebenfalls gestreckt über vier Jahre. Mit dem Haustarifvertrag ist die Rollenoffsetdruckerei im niedersächsischen Herzberg den Leistungen des Flächentarifvertrags nähergerückt.

Das war ein langer Weg. Vor 19 Jahren hatte die Druckerei entschieden, die Tarifverträge nicht mehr anzuwenden. Die Belegschaft musste für drei Jahre auf zehn Prozent Lohn und die Jahresleistung verzichten. Per Einzelvertrag wurden die Beschäftigten auf 37,5 Wochenstunden verpflichtet; davon waren 2,5 Stunden unentgeltlich. Neueingestellte hatten 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. 2018 gelang es, die 37,5 Stunden für alle und die Bezahlung jeder geleisteten Arbeitsstunde durchzusetzen.

Für die Kehrtwende bei der Jungfer-Druckerei seien mehrere Faktoren ausschlaggebend gewesen, erklärt Jörg Liehmann. Es war die Hartnäckigkeit der früheren Betriebsratsvorsitzenden Heidi Schmidt ebenso wie das konsequente Vorgehen der ver.di-Betriebsgruppe, die es schaffte, dass rund 90 Prozent Mitglied von ver.di wurden. Die Belegschaft zeigte zunehmend Gegenwehr.

Jörg Liehmann sieht auch den Eigentümerwechsel als Grund dafür, dass der Haustarifvertrag abgeschlossen werden konnte. 2018 hat die niederländische Koninklijke Drukkerij Em. de Jong die Mehrheit der Anteile bei Jungfer Druck und Verlag übernommen. Die De-Jong-Gruppe verfügt über 27 Rollenoffsetmaschinen in Belgien, den Niederlanden und jetzt Deutschland.

Zu Beginn der Tarifverhandlungen im Herbst des vergangenen Jahres hatte es gerumpelt. Nach dem ersten Gespräch reagierte die Geschäftsleitung beleidigt auf einen Aushang von ver.di und wollte vorübergehend nicht weiterverhandeln. Daraufhin informierte der Betriebsrat die Schichtarbeiter*innen über eine Woche lang auf täglich drei Versammlungen. Bis die Geschäftsleitung wieder einlenkte. Der Haustarifvertrag sei ein Erfolg, sagt Jörg Liehmann. Ziel bleibe aber die Rückkehr zum Flächentarifvertrag.