»Der feine Herr Eberl!«
Protestkundgebung gegen die Schließung der Druckerei im Zentrum von Immenstadt
Die Frau hält inne, stellt die Einkaufstasche ab und schaut sich auf dem Klosterplatz um: überall Transparente, Banner, Menschen in gelben Westen und Kinder, die Schilder hochhalten, dass ihre Väter nun arbeitslos sind wegen Eberl. Und da – ein fetter Mann hockt auf Geldsäcken, aus der Faust quillen die Scheine. Auf dem meterlangen Banner liest sie: »Tausche 270 Mitarbeiter gegen 90 Wohnungen«. Dass der Herr Eberl so was tut. Das wusste sie nicht.
Eine Belegschaft wehrt sich
Alle Sprüche hat sich die betriebliche Tarifkommission ausgedacht.
Mehr als 100 Beschäftigte, ver.di-Aktive, Kolleg*innen aus anderen Betrieben und Gewerkschaften sind am Samstag vor Pfingsten in Immenstadt zusammengekommen, um gegen die Schließung der Druckerei Eberl & Koesel zu protestieren. Die meisten von ihnen sind bereits freigestellt – wie das so heißt, wenn der Job weg ist. Sie berichteten von langen Arbeitszeiten und vielen Überstunden. Sie erzählten von Managementfehlern, Arbeitgeberanwälten und teuren Beratern. Von ihren Kämpfen und Streiks für einen Haustarifvertrag. Dann wurde Kurzarbeit verhandelt, plötzlich abgebrochen; es folgten Insolvenz und Schließung. Immer wieder fällt mitten auf dem Klosterplatz ein verächtliches »Der feine Herr Eberl«.
Aus dem Druckereibesitzer Eberl wird der Wohnungsbesitzer Eberl. Im Zentrum von Immenstadt sollen 90 neue Wohnungen, Appartements, ein Kindergarten und Gewerbeflächen entstehen. Dafür wird ein Teil der früheren Eberl-Druckerei abgerissen, die Druckereibesitzer Ulrich Eberl 2020 nach Altusried-Krugzell umsiedelte und mit der Buchdruckerei Kösel verschmolz. Über die Pläne für den Wohnungsbau berichtete die Allgäuer Zeitung. Nicht aber über die Proteste der Belegschaft.
Ein starkes Team: Stefan Milisterfer von ver.di (vorne links) und Betriebsratsvorsitzender Daniele Lupo (am Mikro) beim Feiern mit einer widerständigen Belegschaft.
Eberl hat das Druckgeschäft aufgegeben und 270 Beschäftigte auf die Straße gesetzt. 80 von ihnen – ausgesucht von Vorgesetzten – produzierten bis Ende Juni die letzten Aufträge. Dafür erhalten sie neben ihrem Lohn 20 Prozent Prämie. Damit soll Ulrich Eberl nicht durchkommen: Die Entlassenen werden auf entgangenen Lohn und die Prämie klagen; der Betriebsrat wird sich dagegen wehren, dass seine Mitbestimmungsrechte übergangen worden sind; ver.di wird zum Streik für einen Sozialtarifvertrag aufrufen. »Wer Geld für solche Wohnkomplexe hat, hat auch Geld, um der Belegschaft eine ordentliche Abfindung zu zahlen und eine Transfergesellschaft zu finanzieren«, sagt Stefan Milisterfer von ver.di.
Einer der Entlassenen ist Betriebsratsvorsitzender Daniele Lupo. Er erhält keinen Lohn und auch kein Arbeitslosengeld, weil er laut Arbeitsagentur dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. »Ein politischer Skandal«, findet Milisterfer. Daniele Lupo macht seine Betriebsratsarbeit derweil von zu Hause aus und hat mitgeholfen, Kontakte zu anderen Firmen herzustellen, damit die Azubis unterkommen. Es gibt noch ganz viel, was die Frau mit der Einkaufstasche über den Herrn Eberl nicht weiß.
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»Noch nie hat ein Arbeiter das Unternehmen ruiniert. Es war immer das Management.« Das pflegte Kollege Alois Irro am Ende von Betriebsversammlungen in einer bayerischen Druckerei zu sagen. Recht hat er.