Tarif

»Daumen hoch!«

Manteltarifvertrag gilt weitere 30 Monate | Positive Reaktionen | Mehr Lohn für dieses und nächstes Jahr

Vieles war in dieser Tarifrunde anders: Beide Seiten traten mit neuen Verhandlungsführungen an – für ver.di Rachel Marquardt und für den Bundesverband Druck und Medien (bvdm) Klemens Berktold. Beide Tarifparteien einigten sich so schnell wie seit vielen Jahren nicht. Nach der dritten Runde lag der Abschluss unterschriftsreif auf dem Tisch. Der Clou der Tarifrunde betraf den Manteltarifvertrag. Der wird mitsamt den Anhängen für 30 Monate bis zum 31. Oktober wieder in Kraft gesetzt – unverändert. Damit hatte niemand gerechnet.

Zäh gestartet…

ver.di hatte das Lohnabkommen zum 31. Januar 2022 gekündigt und für die rund 120.000 Beschäftigten der Druckindustrie fünf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr gefordert. Die Begründungen waren klar: Nachholbedarf gegenüber anderen Branchen, zunehmende Anforderungen an Flexibilität und steigende Preise, die Beschäftigte – anders als Unternehmen – nicht weitergeben können.

Eines war jedoch auch bei dieser Lohnrunde nicht anders als sonst: Die Ausgangslage für höhere Löhne war schwierig. Von der Corona-Pandemie teilweise krisengebeutelte Druckbetriebe haben mit hohen Papierpreisen, steigenden Energiekosten und Lieferproblemen zu kämpfen. So begannen die Verhandlungen zäh und endeten in zwei Runden ergebnislos. Der Unternehmerverband war zunächst nur bereit, eine einmalige Corona-Prämie von 500 Euro zu zahlen. In der dritten Runde – begleitet von Warnstreiks und Protesten – einigten sich ver.di und der Bundesverband Druck und Medien schließlich auf eine Lohnerhöhung von zwei Prozent zum 1. Mai 2022 und weiteren 1,5 Prozent zum 1. Mai 2023 bei einer Laufzeit von 25 Monaten.

… schnell beendet

Doch weil die Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben wissen, dass die Leistungen im Manteltarifvertrag um die 30 Prozent ihres Einkommens ausmachen, blieb die Kritik an der langen Laufzeit und den niedrigen Lohnerhöhungen verhalten. Stattdessen meldeten die Tarifkommissionsmitglieder vor allem Positives aus den Betrieben: »Die Kollegen sind sehr zufrieden, dass der Mantel so lange gilt.« Und: »Das ist eine gute Sache mit dem Manteltarifvertrag.« Oder: »Super toll! Daumen hoch!«

Wie ist es gelungen, den Manteltarifvertrag wieder in Kraft zu setzen, obwohl es zunächst ausschließlich um den Lohn ging? »Dem Unternehmerverband wurde schnell klar, dass es in wenigen Wochen um den Manteltarifvertrag gegangen wäre und sie mit heftigsten Streiks hätten rechnen müssen«, so die Einschätzung eines Tarifkommissionsmitglieds. Denn es ist kein Geheimnis, dass Belegschaften in der Druckindustrie mit größerem Einsatz um den Mantel als um mehr Lohn kämpfen.

Der Manteltarifvertrag läuft nach dem 31. Oktober 2024 aus, ohne gekündigt werden zu müssen. Zum Manteltarifvertrag gehören die Besetzungsregeln – die legen fest, mit wie vielen Beschäftigten eine Maschine mindestens zu besetzen ist. ver.di und der Bundesverband Druck und Medien einigten sich darauf, bis Ende dieses Jahres über neue Besetzungsregeln zu sprechen.

Als hätten sie’s geahnt: Hände weg vom Mantel! Der ist wieder in Kraft. Hier die Spätschicht von TSB in Mönchengladbach. Foto: Jürgen Seidel

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Weitere Streikbilder: t1p.de/tr-druck22

Streiks für den Tarifvertrag in Heilbronn

Der Verleger der Heilbronner Stimme teilte Betriebsrat und Belegschaft im März überraschend mit, dass er mit der Druckerei und den technischen Betrieben die Tarifbindung verlassen habe. Davon sind etwa 130 von knapp 500 Beschäftigten betroffen. Für Redaktion und Zeitungsverlagsangestellte sollen die Tarifverträge weiter gelten. Mit drei Arbeitsniederlegungen, die von Mal zu Mal ausgedehnt wurden, protestierten die Streikenden gegen die Tariflosigkeit und forderten einen Haustarifvertrag. »Die Kolleg*innen sind auch verärgert darüber, dass ihnen die Entscheidung so nebenbei und verklausuliert im Intranet mitgeteilt wurde«, sagt die Betriebsratsvorsitzende und ehrenamtliche ver.di-Funktionärin Elke Lang. In der Hoffnung, die Streikbereitschaft zu dämpfen, sicherte der Verleger den Beschäftigten zwei Prozent mehr Lohn zu – exakt die Höhe der ersten tariflichen Lohnerhöhung in der Druckindustrie. Jetzt will er mit dem Betriebsrat über die Verschlechterung bei Zuschlägen, Antrittsgebühr und Lohngruppen sprechen. Lauter Tarifangelegenheiten, die mit ver.di verhandelt werden müssen. »Ich wundere mich über diese Unkenntnis«, sagt Elke Lang. Gespräche mit der Gewerkschaft verweigert der Verleger bislang. Vielleicht weiß er auch eines nicht: Mit Tarifvertrag gilt die Friedenspflicht. Ohne Tarifvertrag kann ver.di die Belegschaft jederzeit zu Streiks aufrufen.