Ein erster Erfolg
Streiks haben gewirkt: ver.di und Eberl & Koesel verhandeln um einen Haustarifvertrag
Bei der Druckerei Eberl & Koesel im Allgäu wird es einen Haustarifvertrag geben. Das Unternehmen ist auf zwei zentrale Forderungen von ver.di eingegangen: Alle Beschäftigten erhalten 30 Urlaubstage; die Arbeitszeit wird einheitlich auf 37,5 Wochenstunden gesenkt. Strittig sind bislang noch die Zuschläge. ver.di fordert die vollen tariflichen Zuschläge, was Eberl & Koesel noch ablehnt. Am 11. September (nach Redaktionsschluss) ist eine Mitgliederversammlung mit Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik geplant. »Dem Arbeitgeber muss klar sein, dass die Mitglieder es ernst meinen«, sagt Daniele Lupo, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der betrieblichen Tarifkommission.
Das ist ein erster Erfolg – die Belegschaft hat sich aus der Tariflosigkeit in die Tarifbindung gestreikt. Die gewerblich Beschäftigten sind nicht nur gut organisiert und widerständig. Sie ließen sich auch nicht von den Versuchen des Unternehmens einschüchtern, Belegschaft und Betriebsrat zu spalten und Streiks vor Gericht verbieten zu lassen. Mittlerweile trennten sich die Gesellschafter der Druckerei von Geschäftsführer Joachim Kühn. Er galt als besonders gewerkschaftsfeindlich, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretär Stefan Milisterfer.
Belehrung vom Richter
Der Hintergrund: Im April hatte ver.di das Unternehmen zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag aufgefordert. Doch die Geschäftsführung weigerte sich zu verhandeln und vertröstete die Gewerkschaft immer wieder aufs Neue. Um den Unternehmer an den Verhandlungstisch zu bringen, rief ver.di zum Streik auf. Zwischen 60 und 70 Beschäftigte legten an fünf verschiedenen Tagen – erst wenige Stunden, dann ganze Schichten – die Arbeit nieder. Daraufhin tat Unternehmenschef Ulrich Eberl, was er sonst auch tut: Er zog gegen ver.di vors Arbeitsgericht (siehe DRUCK+PAPIER 3/2019), mit dem Ziel, die Streiks gerichtlich verbieten zu lassen. Ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht bezeichnete die Warnstreiks als ebenso rechtmäßig wie das Streikziel, einen Haustarifvertrag durchsetzen zu wollen. In der Urteilsverkündung erklärte der Richter auf mehreren Seiten, wie es sich verhält mit der Tarifautonomie und Streiks, abgeleitet von Artikel 9 im Grundgesetz, berichtet Stefan Milisterfer.
Letztlich liefen die Vorwürfe von Eberl & Koesel allesamt ins Leere. Auch der Hinweis des Unternehmens, nach den wirtschaftlichen Verlusten im Corona-Jahr nicht auch noch Produktionsausfälle durch Streiks verkraften zu können, verfing nicht. Dann verwies der Richter noch einmal aufs Grundgesetz und dass die vorgebrachten Gründe keinen Eingriff ins Streikrecht rechtfertigen. In einem Vergleich einigten sich ver.di und das Unternehmen auf die ersten Verhandlungstermine.
Gerecht mit Tarif
Viele Beschäftigte ärgern sich seit Langem über die ungleiche Behandlung bei Stundenlöhnen, Jahresleistung, Zuschlägen und Urlaubstagen. Ein Haustarifvertrag soll mehr Gerechtigkeit und bessere Arbeitsbedingungen bringen.
Nach dem Kauf der Buchdruckerei Kösel durch die Allgäuer Unternehmensgruppe Eberl Medien firmiert das Unternehmen seit 2021 als Eberl & Koesel. Die Druckerei hat noch 265 Beschäftigte, 85 verloren ihren Arbeitsplatz beim Zusammenschluss. In Altusried-Krugzell werden Bücher, Prospekte, Kataloge und Zeitungen produziert.
Bei einer Urabstimmung am 11. September 2021 entschieden sich 100 Prozent der ver.di-Mitglieder bei Eberl & Kosel für einen unbefristeten Erzwingungsstreik zur Durchsetzung ihrer Forderungen.