Aus den Betrieben

»Ruft uns zum Streik auf!«

Ungleiche Arbeitsbedingungen bei Eberl & Koesel | Ziel ist ein Haustarifvertrag | Viel Druck, wenig Personal, schlechte Stimmung

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In der Allgäuer Druckerei Eberl & Koesel brodelt es. »Es reicht! Ruft uns endlich zum Streik auf!« Das hört Gewerkschaftssekretär Stefan Milisterfer immer öfter von den ver.di-Mitgliedern. Nahezu alle Beschäftigten aus der Produktion sind in die Gewerkschaft eingetreten.

Am 12. April forderte ver.di die Geschäftsführung zu Verhandlungen für einen Anerkennungstarifvertrag auf. Keine Reaktion. Am 21. April ein zweites Mal. Keine Reaktion. Verweigert sich ein Unternehmen auch nach mehrmaliger Aufforderung, kann die Gewerkschaft zum Streik aufrufen. Damit soll Druck auf den Unternehmer gemacht werden, in die Verhandlungen einzutreten.

Stillstand wegen Personalmangel

Unter den Beschäftigten der seit rund 15 Jahren tariflosen Druckerei brodelt es schon länger. Ein Grund: der Arbeitsdruck. »Die Maschinen müssen so schnell wie möglich laufen«, sagt Betriebsratsvorsitzender Daniele Lupo. Erst langsam zu starten und das Tempo bei hoher Fertigungsqualität zu steigern, sei nicht erwünscht. »Schafft eine Maschine pro Stunde 18.000 Bogen, erwartet die Firma auch 18.000.« Hohes Tempo, aber wenig Personal – ein Beispiel: Statt zwei Drucker pro Maschine muss die Mannschaft jetzt mit 1,5 auskommen.

Unbezahlte Raucherpausen wurden gestrichen, lange Sommerurlaube ebenfalls – mehr als zwei Wochen am Stück sind von Juli bis Oktober nicht möglich. Jetzt seien Teams zu sechs Beschäftigten gebildet worden, wovon nur einer wegen Urlaub fehlen dürfe. Das habe die Geschäftsleitung einseitig angeordnet, berichtet Lupo. Wie wenig Personal verfügbar ist, wird immer wieder deutlich. Als neulich einzelne Beschäftigte in Urlaub waren und dann noch der Auszubildende krank wurde, stand die Maschine still.

Anzeige der Regierung von Schwaben

Die Personalknappheit ist hausgemacht: Mit der Zusammenlegung der beiden Druckereien Eberl und Koesel hat das Unternehmen 85 Beschäftigte rausgekickt. Fast zwei Dutzend weitere kündigten von selbst. »Viele Kollegen sagen, sie halten den Druck im Betrieb nicht mehr aus«, berichtet Daniele Lupo.

Hohes Tempo, wenig Personal und überlange Arbeitszeiten: Wegen massiver und regelmäßiger Überschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit erhielt Eberl & Koesel Mitte März eine Anzeige der Regierung von Schwaben. Laut Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. In Ausnahmen sind zehn Stunden möglich. »In der Verwaltung wurde regelmäßig mehr gearbeitet. Oft elf, zwölf, 13 Stunden«, bestätigt auch Gewerkschaftssekretär Stefan Milisterfer.

Was sagt die Geschäftsleitung zu den Vorwürfen? Er wolle sich »zu betriebsinternen Themen« nicht äußern, teilte Geschäftsführer Ulrich Eberl DRUCK+PAPIER auf Anfrage mit.

Ein weiterer Grund für die schlechte Stimmung in der Belegschaft ist die ungleiche Behandlung. Neueingestellte, Altbeschäftigte, Ex-Koesel, Ex-Eberl, Verwaltung, Produktion – die einen arbeiten 37,5 Wochenstunden, die anderen 40, 42 und 45 Stunden. Die überwiegende Mehrheit von Ex-Eberl-Beschäftigten erhält weiterhin keine Jahresleistung und kein Urlaubsgeld. Während zwei Dutzend Alt-Kösel-Beschäftigte zumindest eine Jahresleistung von 47,5 Prozent bekommen, allerdings keine tariflichen Zuschläge wie die Eberl-Kolleg*innen.

Wut auf die Geschäftsführung

Manche haben 25 Urlaubstage, andere 42 plus sechs Tage Freizeitausgleich. »Wenn zwei Drucker die gleiche Arbeit verrichten, sich ihr Stundenlohn aber um sechs Euro unterscheidet, wird das als höchst ungerecht empfunden«, sagt Betriebsratsvorsitzender Daniele Lupo. Die Wut richte sich gegen die Geschäftsführung, der Zusammenhalt in der Belegschaft sei dagegen gut.

»Die Beschäftigten wollen Gerechtigkeit und eine gerechte Behandlung. Das gibt es nur mit einem Tarifvertrag. Der garantiert, dass gleiche Tätigkeiten auch gleich bezahlt werden«, erläutert Stefan Milisterfer von ver.di. »Dafür wollen die Beschäftigten auch kämpfen.«

Eberl & Koesel

Die Allgäuer Unternehmensgruppe Eberl Medien kaufte 2020 die Buchdruckerei Koesel. Eberl print aus Immenstadt zog an den 40 Kilometer entfernten Stammsitz von Koesel in Altusried-Krugzell. Mit dem Jahreswechsel 2021 firmieren die beiden Unternehmen als Eberl & Koesel und produzieren mit 270 Beschäftigten Bücher, Prospekte und Verpackungen. 85 zum Teil ältere Beschäftigte, die 30 und 40 Jahre für die Firmen arbeiteten, verloren bei dem Zusammenschluss ihren Arbeitsplatz.